Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

220 Großbritaunieu. (Sept. 26. —Okt. 7.) 
solle sich bereit erklären, eine Konferenz mit denjenigen Gruppen in den 
Staaten der Mittelmächte abzuhalten, die ihren autokratischen Regierungen 
offen Widerstand leisteten, wird mit 63 gegen 26 Stimmen verworfen. 
Der amerik. Delegierte Bowen erklärt hierauf, er wünsche der Konferenz 
mitzuteilen, daß die Vertreter der Ver. St., wenn während des Krieges eine 
interalliierte Konferenz abgehalten werden sollte, an der Delegierte feind- 
licher Länder teilnähmen, nicht erscheinen würden. — Schließlich nimmt 
die Konferenz den Bericht der Kommission über die Kriegsziele in der durch 
die Konferenz verbesserten Fassung an. 
26. Sept. (Manchester.) Parteitag der lib. Partei. 
Der Generalausschuß der National Liberal Federation nimmt 
eine Resolution an, in der die Durchführung des Rrieges befürwortet wird, 
bis ein gerechter und dauernder Friede erreicht sei; dagegen wird es ab- 
gelehnt, den Krieg durch Zolltarife und Bonkotte fortzusetzen. Der Antrag, 
daß die Partei für eine Untersuchung der Friedensmöglichkeiten eintreten 
und alle von den feindlichen Ländern vorgebrachten Vorschläge freundlich 
erwägen solle, wird von einer überwältigenden Mehrheit abgelehnt. 
30. Sept. Zur Frage des Bölkerbundes. 
In einer Anleihewerberede in der Londoner Guildhall führt Staats- 
sekretär Balfour als Antwort auf die Rede des Präsidenten Wilson am 
27. Sept. (s. Ver. St.), die für die Schaffung eines Völkerbundes ein- 
tritt, u. a. aus: Um den Völkerbund zu ermöglichen, ist der Sieg und ein 
vollständiger Sieg absolut notwendig. Der Traum der Deutschen, daß sie 
ihre Feinde durch die bloße Unterzeichnung überreden könnten, daß sie ihre- 
Gesinnung geändert hätten, ist eine vergebliche Illusion. Deutschland scheint 
wirklich anzunehmen, daß, wenn die Alliierten von Gesinnungsänderung 
und Vernichtung des Militarismus reden, alles, was benötigt wird, ein 
paar konstitutionelle Aenderungen des preuß. Staates und die Unterzeichnung 
der bewundernswerten Vorschläge sind, die Präsident Wilson von Zeit zu 
Zeit festgestellt hat. Diese oberflächlichen Aenderungen sind ohne jeden Wert, 
wenn sie für sich allein bleiben. Deutschland kann nur ein Mitglied des- 
Völkerbundes werden, wenn das internationale System durch eine große 
Verständigung und einen alles umfassenden Frieden reformiert worden ist. 
Und das kann niemals geschehen, ehe Deutschland sich nicht nur verpflichtet 
hat, sein Glaubensbekenntnis zu ändern, sondern wenn alle seine Welt- 
herrschaftsträume vor seinen Augen in Stücke gerissen sind, und wenn es, 
allerdings mächtig, glücklich und reich, doch nicht länger ein Tyrann sein 
kann, der die Nationen, auf die es in der Lage ist, Einfluß auszuüben, 
seinen eigenen Träumen von einem Weltreich unterwerfen kann. 
Ueber den Plan einer Liga der Nationen äußert sich auch Lord Robert 
Cecil am 2. Okt. in einer Unterredung mit dem Londoner Korr. der 
„Neuen Zürcher Ztg.“. Dabei bemerkt er, der deutlichste Beweis für den 
Fortschritt, den der Gedanke des Völkerbundes mache, liege wohl in der- 
Tatsache, daß er auch im deutschen Volke mehr und mehr Wurzel schlage. 
Es sei erfreulich, wenn das deutsche Volk oder ein Teil desselben jetzt ein- 
zusehen beginne, daß der Militarismus ein verfehltes Glaubensbekenntnis. 
war. Aber es müsse einen handgreiflichen Beweis für seine Sinnesänderung 
ablegen, bevor man an die Aufrichtigkeit solcher Erklärungen glauben könne. 
(Den Wortlaut der Unterredung s. in der „Nordd. Allg. Ztg.“ 1918 Nr. 517.) 
— In ähnlichem Sinne nimmt auch Lord Grey am 10. Okt. in einer 
Rede in der Londoner Westminsterhall zu dem Völkerbundsplane Wilsons. 
Stellung. (Den ausführlichen Bericht s. in der „Voss. Ztg.“ 1918 Nr. 522.) 
7. Okt. Zum deutschen Friedensangebot.
	        
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