Grsßbritannien. (Nov. 7. 9.) 225
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7. Nov. Genehmigung des deutsch-engl. Gefangenenabkommens.
Die engl. Regierung läßt durch ihren Gesandten im Haag der nieder-
ländischen Regierung mitteilen, daß sie zur Ratifikation des am 14. Juli
s. Niederl.) mit Deutschland geschlossenen Vertrages über den Austausch
von Kriegsgefangenen bereit ist.
7. Nov. Engl.-franz. Kriegsziele im Osten.
Die britische und die französische Regierung erlassen folgende
gemeinsame Erklärung: Das Ziel, das Frankreich und Großbritannien
mit der Fortsetzung des von Deutschland entfesselten Krieges im Orient vor
Augen haben, ist die völlige und endgültige Befreiung der Völker, die so
lange von den Türken unterdrückt waren, sowie die Einsetzung von völkischen
Regierungen und Verwaltungen, die ihre Macht aus der freien Verfügung
der einheimischen Bevölkerung herleiten. Um dieser Absicht Folge zu geben,
sind Frankreich und Großbritannien übereingekommen, die Einsetzung von
einheimischen Regierungen und Verwaltungen in Syrien und Mesopo-
tamien, die jetzt von den Verbündeten befreit sind, sowie in den Gebieten,
deren Befreiung sie erstreben, zu fordern und zu unterstützen, und anzuer-
kennen, sobald sie tatsächlich eingesetzt sind. Weit entfernt davon, den Ein-
wohnern dieser Gegenden die eine oder andere Staatsordnung aufdrängen
zu wollen, sind sie lediglich darauf bedacht, durch Unterstützung und werk-
tätige Hilfe den regelrechten Gang der Regierungen und Verwaltungen, die
sie sich geben werden, sowie eine unparteiische und vor allem dem Gebot
der Gleichheit nachkommende Rechtspflege zu sichern, die wirtschaftliche Ent-
wicklung des Landes durch Förderung der örtlichen Betätigung anzuregen
und aufzumuntern und der Uneinigkeit ein Ende zu bereiten, von der die
Türkei allzu lange Vorteil gezogen hat. Das ist die Aufgabe, die die beiden
Regierungen für sich in beiden Ländern beanspruchen.
9. Nov. Lloyd George über die Lage.
Bei dem üblichen Festmahl in der Londoner Guildhall anläßlich der Ein-
führung des neuen Lord Mayors wirft Premierminister Lloyd George einen
Rückblick auf das letzte Kriegsjahr. Er schildert die ernste Lage im vorigen Herbst
und im Frühjahr. Dann sagt er u. a.: Der Wechsel von damals zu heute war der
dramatischste in der Geschichte. Die türk. Armeen sind vernichtet. Bulgarien
ist vom Gebirge bis zur See besetzt. Deutschland, der letzte und größte von
unseren Feinden, ist zurückgeschlagen, seine Armee, ehemals die furchtbarste
der Welt, ist jetzt kaum eine Armee mehr, die deutsche Flotte ist sicherlich
nicht länger mehr eine Flotte. Der Kaiser und der Kronprinz haben ab-
gedankt, ein Regent wurde bis jetzt nicht bestimmt, das ist das dramatischste
Urteil in der Weltgeschichte. Wir sind kein rachsüchtiges Volk, aber wenn
der Kaiser und der Kronprinz nicht von der Leitung des Kaiserreichs ent-
fernt worden wären, würde niemand irgendwelches Vertrauen in die Auf-
richtigkeit der deutschen Versicherungen für die Zukunft gesetzt haben. Ihr
eigenes Vokk befahl ihnen zu gehen, das genügt. Was die Verzögerung in
der Absendung der Bedingungen an Deufschland anbelangt, so bemerkt Lloyd
George, dieses sei nicht auf eine Meinungsverschiedenheit unter den Al-
liierten zurückzuführen. Sie dachten, es wäre besser, damit zu beginnen, daß
man die Stützen unter den Füßen des Feindes zerbreche. Der bulg. Ab-
schluß habe die Flanke der Türkei aufgerissen, der türk. die Flanke Oester-
reichs und der österr. wurde so geregelt, daß er die verwundbarste Flanke
Deutschland aufreiße. Das sei der Grund, warum die Alliierten warteten.
Auf die Frage, ob Deutschland weiterkämpfen werde, sagt Lloyd George:
Deutschland habe heute keine Wahl und werde morgen keine haben. Handelte
Europäischer Geschichtskalender. LIXN1 15