Großbritaunien. (Dez. 11.) 233
Amtlich wird mitgeteilt, daß die Koalitionsregierung mit der end—
gültigen Absicht zur Friedenskonferenz gehen wird, dort die Aufhebung der
Militärdienstpflicht in ganz Europa vorzuschlagen.
11. Dez. Lloyd Georges Programm.
Die englische Presse veröffentlicht eine amtliche Kundgebung, die als
Programm des Premierministers folgende fünf Punkte bezeichnet:
Bestrafung Kaiser Wilhelms, Schadenersatz durch Deutschland, möglichst
rasche Heimschaffung der Soldaten, Versorgung der heimgekehrten Krieger,
Verbesserung der Wohnungs- und sozialen Verhältnisse.
Am gleichen Tage hält Lloyd George in Bristol eine Rede über
das Friedensprogramm der Regierung, worin er daran erinnert, daß
in allen Ländern bei einem Prozeß der Verlierende die Kosten zu bezahlen.
habe. In Zukunft würden nun, so hoffe er, zwischen den Nationen die-
selben Prinzipien von Recht und Unrecht gelten wie zwischen Privatpersonen.
Dann würde die Nation, die Unrecht getan habe, die Kosten bezahlen
müssen. Aber noch aus einem anderen Grunde müsse Deutschland die Rech-
nung bezahlen. Der Krieg habe Deutschland viel weniger gekostet als Eng-
land. Die eigenen Kosten schätzt Ll. G. auf 8 Milliarden Pf., also 160 Mil-
liarden M. und die deutsche Rechnung auf 60 bis 70 Milliarden M. Diesen
Differenzbetrag zwischen den britischen und deutschen Kosten müsse eine Be-
völkerung von 45 Mill. begleichen, während die deutschen Kosten durch eine
Bevölkerung von 70 Mill. getragen würden. Deutschland müsse bis zur
äußersten Grenze seines Vermögens bezahlen. Vor dem Kriege sei Deutsch-
lands Reichtum auf 15 bis 20 Milliarden Pf. eingeschätzt worden. Die
Rechnung betrage 24 Milliarden Pf., so daß der ganze Reichtum Deutsch-
lands nicht genügen würde. Vor einigen Wochen habe das Kriegskabinett
eine Kommission ernannt, die die finanzielle Kraft Deutschlands untersuchen
soll. Ll. G. ist der Ansicht, daß man den Reichtum Deutschlands zu niedrig
eingeschätzt hat. Nur zwei Bedingungen wolle er stellen: 1. daß nicht während
unbestimmter Zeit eine größere Besatzungsarmee gehalten werden müsse und
2. daß die Zinsen von dem Geld nicht dadurch bezahlt werden, daß in
England für Hungerlohn fertige Waren auf den Markt geworfen werden.
Es sei klar, daß Deutschland die Kosten der Alliierten bezahlen müsse, be-
vor die deutsche Kriegsschuld gezahlt werde. Nach Recht und Billigkeit stehe
es den Alliierten zu, die gesamten Kriegskosten von Deutschland zu fordern.
England beabsichtige auch, das zu verlangen. Bezüglich Kaiser Wilhelms
stehe es zweifellos fest, daß er ein Verbrechen gegen die Nationalrechte be-
gangen habe und dafür zur Verantwortung gezogen werden müßte. Amerika
werde zweifellos derselben Ansicht sein. Der Kronprinz sei sicher einer der
Mitschuldigen und nach dem vorliegenden Material vielleicht ein Haupt-
anstifter. Die Deutschen in England würden nicht lange in diesem Lande
sein. Er könne versichern, daß man sie hinausfeuern werde und daß sie
nicht wieder hereinkommen würden. Ll. G. schließt mit der Erklärung, daß
das Friedensprogramm der engl. Regierung ein bitterernstes sei. Es müsse
eine strenge gerechte Strafe bestehen für alle diejenigen, die den Krieg be-
gonnen und ihn fortgesetzt haben, und Deutschland müsse es für immer un-
möglich gemacht werden, eine Armee von 4 bis 5 Millionen Mann zu
bilden. Es müsse eine gerechte Abrüstung nach jeder Beziehung sein. Aber
England müsse seine Flotte haben. Er würde niemandem vertrauen, wenn
England nicht die Kontrolle über die Meere hätte und es würde sich einer
grohen Dummheit schuldig machen, wenn es die Flotte aufgeben würde.
11. Dez. Die deutschen Kolonien für England.
Das Kolonialamt veröffentlicht ein „Weißbuch“ mit Erklärungen von