20 Die österreichisch-ungarische Monarchie und dir Uachsolgestaaten. März 5.#7.)
5. März. Unterzeichnung des Vorfriedensvertrages mit Ruma-
nien im Schlosse Buftea.
Näh. s. in dem besonderen Abschnitt am Schluß des Kalendariums.
7. März. (Osterr. Abg.-Haus.) Annahme des Budgetprovis.
Im Laufe der (am 5. begonnenen! zweiten Lefung des Budget-
provisoriums (s. S. 16) richtet Ministerpräsident Dr. Ritter v. Seidler
an das Abgeordnetenhaus einen warmen Avvpell, das Budgetprov. ein-
schließlich der Kreditermächtigung zu bewilligen. Die Verweigerung des
Kriegsbudgets und insbesondere der Kriegskredite müßte in aller Welt
als Entschließung aufgefaßt werden, die nicht davor zurückscheut, dem Staate
die materiellen Mittel in einem Momente zu entziehen, da er den schwersten
aller Kriege in Ehren zu beenden sich auschickt. Er sei überzeugt, daß die
Oeffentlichkeit derartige Erscheinungen als tief bedenklich, als gerade u be-
schämend empfinden würde. Die verfassungsmäßige Erledigung des Budget-
provisoriums würde eine freie Bahn schaffen für die Erledigung wichtiger
wirtschaftlicher und sozialer Gesetzesvorlagen. v. S. betont sodann die Not-
wendigkeit der Verfassungsreform, wobei sich die Regierung auf den Boden
des Prinzips der nationalen Selbstbestimmung stellen werde, soweit es im
Einklang mit den Voraussetzungen für die Erhaltung des Staatsganzen
steht, und appelliert an alle Parteien, einen inneren politischen Waffenstill-
stand zum Zwecke der Herbeiführung eines baldigen äußeren Friedens zu
schließen. Die Regierung strebe, eine feste Friedensmehrheit herzustellen,
die mit der Regierung zusammenarbeiten soll an der Lösung der ungeheuren
Verwaltungsaufgaben wie auch an der Vorbereitung der politischen Er-
neuerung des Vaterlandes.
Vor der Abstimmung gibt der Obmann des Polenklubs Graf Babo-
rowski die Erklärung ab, daß die Polen zum Zeichen des Protestes gegen
die von ihnen bekämpfte Politik der österr. Regierung, wodurch die Gefühle
und Lebensinteressen des poln. Volkes verletzt würden, der Regierung für
das Budgetprovisorium ihre Stimme versagten, daß sie jedoch der ihnen an
Allerhöchster Stelle zuteil gewordenen Zusicherung vertrauten, daß die ihnen
gewogene Politik des Kaisers Franz Joseph wieder in Kraft trete und weiter-
hin beibehalten werden werde. Die Polen würden, um von der Bevölkerung
die mit der Ausschaltung des Parlamentes verbundene Gefahr eines Ge-
waltregimes abzuwenden, sich von der Abstimmung fernhalten.
Das Budgetprovisorium wird hierauf angenommen. § 1 enthaltend
die allgemeine Ermächtigung für Ausgaben und Einnahmen, wird mit 240
gegen 121 Stimmen angenommen. Hierfür stimmen auch die deutschen Soz.
und die Ukrainer, dagegen stimmen Tschechen, Südslawen und poln. Soz.
§2, enthaltend die Ausgaben für gemeinsame Angelegenheiten, wird mit
203 gegen 161 Stimmen angenommen. Dagegen stimmen auch die deut-
schen Soz. § 3 betr. 6 Milliarden Kriegskredite wird in namentlicher Ab-
stimmung mit 203 gegen 165 Stimmen angenommen. Das Budgetprovisorium
wird hierauf auch in dritter Lesung angenommen.
Somit ist es dem Ministerium Seidler doch gelungen, das vielum-
kämpfte Budgetprovisorium bewilligt zu erhalten. Diese angesichts der inner-
politischen Lage überraschende Wendung ist durch zwei Umstände hervor-
gerufen worden. Der Kaiser hat (am 7.) die Polen empfangen und ihnen
beruhigende Zusicherungen gemacht, so daß sie sich zur Stimmenthaltung
verstanden, und die deutschen Soz. haben beschlossen, für das Budgetpro-
visorium zu stimmen, um die Auflösung des Hauses zu verhindern. Die
poln. Soz., die mit der Stimmenthaltung ihrer Landsleute sehr unzufrieden
sind, treten deshalb aus dem Polenklub aus.