Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

240 Erankteich. Jan. 11. 
Guesde, sagt er, nachdem er die hervorragendsten Mitglieder der franz. 
Soz. Partei beleidigt hat: „Von Euch vertrieben, verlasse ich Frankreich 
mit einem tiefen Glauben an unsern baldigen Triumph über Euere Köpfe 
hinweg. Ich grüße das franz. Proletariat, das ohne Euch und gegen Euch 
großen Schicksalen entgegengeht und rufe: Es lebe das franz. Frankreich!“ 
Ich war betroffen durch eine Stelle in der soz. Erklärung, die hier 
am 31. Dez. verlesen worden ist und in der man uns der Untätigkeit gegen- 
über der Tatkraft unserer Gegner beschuldigte. Aber auf meine Erklärung 
folgten diejenigen Lloyd Georges und Wilsons, Orlandos und Balfours. 
Man will mir jetzt diese Erklärungen entgegenhalten, aber wo findet man 
einen Mißklang zu ihnen? Wofür kämpfen wir? Für einen gerechten 
und dauerhaften Frieden. Dazu gehören drei Bedingungen: Die heilige 
Achtung vor den Verträgen, territoriale Regelungen auf der Grundlage des 
Rechts der Völker, über sich selbst zu bestimmen, Einschränkung der Rü- 
stungen. Das ist unser Programm und dieses Programm hat auch Lloyd 
George aufgegriffen. Zu einer Völkerliga kann nur der Sieg führen. Das 
hat Lloyd George erklärt und das ist auch unser Programm. Wilson be- 
stätigt ebenfalls, daß zwischen den Grundsätzen, die er und die Alli#erten 
aufstellten, kein Unterschied besteht. Was verlangt er? Die Veröffentlichung 
der Verträge („Tut es!“ links), die Beseitigung der wirtschaftlichen Schranken, 
die Räumung der russ. Gebiete, die Räumung unserer Gebiete, die Wieder- 
herstellung Belgiens, Rumäniens, Serbiens und die Wiedergutmachung des 
Frankreich im Jahre 1871 zugefügten Schadens. Nach den Erklärungen 
Lloyd Georges geben diese Erklärungen unseren Forderungen einen uni- 
versalen Charakter. Was wir wollen, ist ein gerechter Friede, der geheiligt 
wird durch die Wiederherstellung des im Jahre 1871 verletzten Rechtes. 
Diese Wiederherstellung steht höher als alle heuchlerischen Plebiszite. Alle 
Erklärungen der Regierungen stimmen überein. Wenn sie auch nicht identisch 
sind in der Form, so sind sie es doch in der Sache. Albert Thomas hat 
uns beschuldigt, wir hätten es an Initiative fehlen lassen. Er hat uns ver- 
kannt. Ich habe nach meiner Rede v. 27. Dez. (s. Gesch Kal 1917 Tl. 2 S. 485 ff.) 
unsere Verbündeten befragt, ob es nicht angezeigt wäre, eine vereinbarte 
gleichzeitige Erklärung abzugeben. Die Frage wurde verneint. Unsere Ver- 
bündeten waren einstimmig der Meinung, es sei besser, getrennte Erklä- 
rungen abzugeben, da in materieller Hinsicht keine Meinungsverschiedenheiten 
bestehen. (Abg. Moutet (Soz.) fordert P. auf, die Antworten zu verlesen.) Ich 
weiß nicht, welches die zukünftige Diplomatie sein wird. Ich lebe mit der 
gegenwärtigen Diplomatie und versichere, daß ich niemals mich dazu ver- 
stehen werde, diplomatische Besprechungen der Oeffentlichkeit preiszugeben 
und das Einvernehmen unter den verbündeten Mächten dadurch zu gefährden. 
Die Methode der getrennten Noten hat Nachteile. Sie läßt Raum zu ver- 
schiedenen Deutungen, aber eine gemeinsame Formel würde das nicht in 
dem Maße, wie Sie es annehmen, ändern Die Hauptsache ist, den Sieg 
davonzutragen, ohne den alle Erklärungen keinen Sinn haben. Wesentlich 
ist auch, daß wir fest sind in den mit unseren Verbündeten getroffenen Ab- 
kommen. Solche haben wir mit Italien, Serbien, Rumänien. mit mehreren 
unserer Alliierten, und um nichts in der Welt werden wir sie brechen. Es 
heißt endlich auch geschlossen auf der Linie bleiben, die wir uns gezeichnet 
haben, im gemeinsamen Willen, einander zu helfen. Man spricht von einer 
gemeinsamen Note. Denken Sie doch, daß es gegenwärtig nicht weniger als 
27 Mächte sind, die sich im Kriege gegen Deutschland befinden. Ist es nötig, 
sie alle einzuladen, neuerdings ihre Kriegsziele für die Befreiung der Mensch- 
heit zu formulieren, oder muß man eine Auswahl unter ihnen treffen oder 
endlich vor der notwendigen Stunde eine Art Vorfriedenskonferenz ein-
	        
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