krankreich. (Jan. 18.) 243
gramme der deutschen Botschaft in Washington. Das erste ist von Bern-
storff an die deutsche Regierung am 4. Febr. 1915 gerichtet. Darin heißt
es: Nr. 178. Buenos Aires telegraphiert folgendes: Nr. 22. Caillaux hat
Buenos Aires nach kurzem Aufenthalt verlassen und reist direkt nach Frank-
reich. Er spricht mit Verachtung über den Präsidenten und den Rest der
franz. Regierung mit Ausnahme Briands. Er durchschaut Englands Politik
vollkommen. Er erwartet keinen Umsturz in Frankreich. Er sieht in dem
Krieg jetzt einen Kampf um das Dasein von engl. Seite. Obwohl er viel
über die „Indiskretionen und tolpatschige Politik“ der Wilhelmstraße sprach
und vorgab, an die deutschen Greuel zu glauben, hat sich seine politische
Richtung im Wesen kaum geändert. Caillaux war von den indirekten Höf-
lichkeiten meinerseits sehr eingenommen, betonte aber, er müsse äußerste
Vorsicht üben, da die franz. Regierung ihn sogar hier beobachten lasse.
Er warne vor dem übertriebenen Lob, das unsere Zeitungen, vor allem die
„Neue Freie Presse“, ihm spendeten, und wünsche, andererseits, daß die Ab-
machungen über das Mittelmeer und Marokko streng kritisiert würden.
Unser Lob benachteilige seine Stellung in Frankreich.
Das zweite Telegramm geht vom deutschen Marineattaché aus und
ist an den Admiralstab gerichtet. Es lautet: Der Dampfer „Uruguay"“ hat
Buenos Aires am 30. Jan. (1915) verlassen. Der Kapitän hat wichtige
Papiere bei sich. Anhalten des Dampfers ist sehr erwünscht. Caillaux ist
an Bord. Wenn das Schiff angehalten wird, muß Caillaux zuvorkommend
und höflich behandelt werden. Können Sie unsere Kreuzer hiervon in Kennt-
nis setzen?
Die amerik. Botschaft fügt diesen beiden Telegrammen eine deutsche
Zensurvorschrift vom 6. Jan. 1916 bei: „Aus politischen Gründen wird
dringend ersucht, über Caillaux nichts zu schreiben und seinen Namen unter
keinen Umständen zu erwähnen.“
(Ueber die von den Kriegshetzern gegen Caillaux gerichteten Angriffe
s. Gesch Kal. 1917 Tl. 2 S. 479 ff., 482 f.)
Am 16. wird auch der Abg. Loustalot verhaftet.
Am 15. spricht die Kammer der Regierung mit 369 gegen 105 Stim-
men das Vertrauen aus, daß sie im Falle C. den Rechtsgrundsätzen Achtung
verschaffen werde.
18. Jan. (Kammer.) Noyalistische Umtriebe.
Bei der Erörterung einer Interpellation des Abg. Poncet (Soz.)
über eine von der royalistischen „Action Françgaise“ geschaffene Wohlfahrts-
einrichtung, deren Erträge in Wirklichkeit der Agitation gegen die republik.
Staatsform diene, kommt es zu heftigen Zusammenstößen zwischen der
Rechten und den Sozialisten. Abg. Pugliesi-Conti (Nat.) wirft den Soz.
vor, daß ihre Blätter, die „Humanité“ und der in Limoges erscheinende
„Le Populaire“ deutsches Geld erhalten hätten. — Abg. Mayéras (Soz.)
verteidigt die von den Sozialisten der Minderheit gegründete Zeitung „Le
Populaire", an der auch Angehörige der Minderheit der deutschen Sozial-
demokratie mitarbeiteten. Der „Populaire“ bekämpfe den Imperialismus
in allen Ländern ohne Unterschied. — Abg. Longuet (Soz.) erklärt, er
rechne es sich zur Ehre an, als Mitarbeiter für sein Blatt deutsche Sozia-
listen gewonnen zu haben, die im Gefängnis säßen und die mehr Mut an
den Tag gelegt hätten, als die franz. Politiker, die in Paris den Deutschen
Kaiser beleidigten. — Infolge der Skandalszenen zwischen der Rechten und
der Linken muß die Sitzung unterbrochen werden. — Nach Wiederaufnahme
der Sitzung verliest der Präsident folgende, von dem Abg. Paisant ein-
gebrachte Tagesordnung: „Die Kammer verurteilt alle Machenschaften, die
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