Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

244 frankreich. (Jan. 21.—Febr. 2.) 
zum Zwiespalt innerhalb der Bevölkerung, ja zum Bürgerkriege führen 
könnten, und vertraut auf die Energie der Regierung, um durch strenge 
Handhabung des Gesetzes die Verfassung der Republik zu schützen.“ — Abg. 
Dalbiez (Rad.-Soz.) beantragt, daß die Tagesordnung ausdrücklich jene 
antirepublik. Parteien verurteile, die aus den Leiden des Landes Nutzen zu 
ziehen suchten. — Ministerpräsident Clemenceau spricht sich gegen diesen 
Zusatz aus, weil die Regierung entschlossen sei, alle Aufwiegler und alle 
schlechten Patrioten, welcher Parteirichtung sie auch angehören, schonungslos 
zu bekämpfen. — Abg. Renould (Rad.-Soz.) verlangt, daß jene royalistischen 
Offiziere, von denen nicht anzunehmen sei, daß sie unbewußt den Machen- 
schaften der „Action Francaise“ als Werkzeuge gedient hätten, entsprechend 
gebrandmarkt würden. — Schließlich wird mit 495 gegen 13 Stimmen das 
Wort „royalistische Umtriebe“ in die Tagesordnung ausgenommen, doch 
auf Wunsch der Regierung auch der Ausdruck „andere Umtriebe“ (bezieht 
sich auf Caillaux und die Friedensfreunde) hinzugesetzt, der Ministerpräsi- 
dent Clemenceau erklärt, daß er hierzu die Vertrauensfrage stelle. Sodann 
wird dieser zweite Zusatz mit 368 gegen 118 Stimmen und endlich die 
ganze Tagesordnung mit 401 gegen 1 Stimme angenommen. 
21. Jan. (Senat.) Prozeß Malyy. 
Der Senat konstituiert sich als Staatsgerichtshof, um über den früheren 
Minister des Innern Malvy (s. Gesch Kal. 1917 Tl. 2 S. 476 ff.) zu urteilen. 
Die Zahl der Richter beträgt 218. Nach der Eröffnungsrede des Senats- 
präsidenten Dubost geht die Anklage dahin, M. habe 1. auf dem Boden der 
Republik und in seiner Eigenschaft als Minister des Innern dem Feinde 
Auskunft über militärische und diplomatische Pläne Frankreichs, besonders 
bei den Unternehmungen am Chemin-des-Dames (April 1917), gegeben, 
2. den Feind durch Hervorrufung militärischer Aufstände begünstigt. 
30. Jan. —2. Febr. (Versailles.) 3. Tagung des interalliierten 
Obersten Kriegsrats. 
Der in Rapallo (s. Gesch Kal. 1917 Tl. 2 S. 527) eingesetzte interalliierte 
Oberste Kriegsrat, der ungefähr jeden Monat zusammentritt, hält seine 
dritte Tagung ab. Es nehmen daran teil: für die Ver. Staaten die Generale 
Bliß und Pershing, für Frankreich Clemenceau, Pichon sowie die Generale 
Foch, Pétain und Weygand, für Großbritannien Lloyd George, Lord Milner, 
General Robertson, Wilson und Feldmarschall Haig, für Italien Orlando, 
Sonnino und die Generale Cadorna und Alfieri. 
Ueber das Ergebnis verbreitet „Reuter“ folgenden amtlichen Bericht: 
Der Oberste Kriegsrat beschäftigte sich sehr eingehend mit den letzten Aeuße- 
rungen des deutschen Reichskanzlers (s. Tl. 1 S. 19 ff.) und des österr.-ung. 
Ministers des Auswärtigen (s. S. 6 ff.). Er konnte aber in diesen Aeuße- 
rungen keine tatsächliche Annäherung an die gemäßigten Bedingungen finden, 
die von allen Regierungen der Alliierten aufgestellt worden sind. Diese 
Ueberzeugung wurde nur vertieft durch den Eindruck, den der Gegensatz 
zwischen den verlautbarten idealen Zielen, mit denen die Mittelmächte in 
die gegenwärtigen Verhandlungen in Brest-Litowsk eintraten, und ihren 
nun offen und unverhüllt zutage liegenden Eroberungs- und Beraubungs- 
plänen hervorrief. Unter diesen Umständen entschied der Oberste Kriegsrat, 
daß die einzige unmittelbare Aufgabe der Alliierten darin besteht, mit der 
äußersten Kraftanstrengung in geschlossenster und wirksamster Zusammen- 
arbeit die militärischen Bemühungen der Alliierten fortzusetzen, bis deren 
Druck in den feindlichen Regierungen und Völkern einen Stimmungs- 
umschwung hervorgebracht hat, der die Hoffnung auf den Abschluß eines
	        
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