Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

Frantreich. (Jan. 31.) 245 
Friedens unter Bedingungen rechtfertigen würde, die keine Aufgabe all der 
Grundsätze der Freiheit, Gerechtigkeit und Achtung vor dem Völkerrecht, 
für die die Alliierten eintreten, vor dem angriffslustigen und nichts be- 
reuenden Militarismus bedeuten. Die von dem Obersten Kriegsrat demgemäß 
angenommenen Entschließungen befaßten sich nicht allein mit der allgemeinen 
militärischen Politik, die von den Alliierten auf allen Hauptkriegsschauplätzen 
befolgt werden soll, sondern noch besonders mit der geschlosseneren und 
wirksameren Zusammenfassung aller Anstrengungen der gegen die Mittel- 
mächte kämpfenden Länder unter der Leitung des Kriegsrates. Der Wirkungs- 
kreis des Rates selbst wurde erweitert, und die Grundsätze der Einheit in 
Politik und Handel, wie sie im letzten Nov. in Rapallo aufgestellt worden 
waren, weiter in konkreter und praktischer Weise ausgebaut. Nach aus- 
giebigster Erörterung der zu befolgenden Politik und der Maßnahmen zu 
ihrer Ausführung kam es zu einer vollen Uebereinstimmung. Die Alliierten 
sind im Herzen und Willen einig nicht infolge irgendwelcher geheimer 
Pläne, sondern in ihrem offenen Entschluß, die Zivilisation gegen einen 
gewissenlosen und brutalen Oberherrschaftsversuch zu verteidigen. Diese Ein- 
mütigkeit ist gleich stark hinsichtlich der ein zuschlagenden militärischen Politik 
wie hinsichtlich der zu ihrer Ausführung nötigen Maßnahmen. Sie wird 
die Alliierten instand setzen, der Gewalttätigkeit des feindlichen Angriffes 
mit festem und ruhigem Zutrauen zu begegnen, mit äußerster Tatkraft und 
aus dem Wissen heraus, daß weder ihre Kraft noch ihre Standhaftigkeit 
erschüttert werden kann. Die ausgezeichneten Soldaten unserer freien Demo- 
kratien haben sich ihren Platz in der Geschichte durch ihre unbegrenzte 
Tapferkeit errungen. Ihr glänzendes Heldentum und nicht weniger die edle 
Ausdauer, mit der unsere Zivilbevölkerung ihre tägliche Last an Prüfung 
und Leiden erträgt, zeugen für die Kraft dieser Grundsätze der Freiheit, 
die den militärischen Erfolg der Alliierten mit dem Ruhm eines großen 
moralischen Triumphes krönen werden. (S. auch S. 156 f.) 
31. Jan. (Kammer.) Einlösung der russ. Kupons. 
Zur Beratung stehen die von der Regierung vorgeschlagenen Kredite 
zur Gewährung von neuen Vorschüssen an die Bundesgenossen Frankreichs. 
In der Summe dieser Kredite (410 Mill. Fr.) befinden sich auch die zur 
Einlösung der russ. Kupons im Febr. 1918 notwendigen Ausgaben. Abg. 
Grodet (Rad.) und Abg. Montet (Soz.) erheben Einspruch dagegen, daß 
Frankreich sich fortgesetzt gegenüber Rußland engagiere. — Finanzminister 
Klotz erklärt, daß die finanzielle Verpflichtung Rußlands gegenüber Frank- 
reich unabhängig von der Form der russ. Regierung fortbestände. Zwischen 
den Regierungen der Entente schwebten Verhandlungen über die künftige 
Regelung der in Frage gestellten Interessen, und in Erwartung eines Ab- 
kommens sei es notwendig, den nächsten Kupon einzulösen. Die Regierung 
betrachte es als ihre Pflicht, die Rußland an Frankreich knüpfenden Bande 
in keiner Weise zu lösen. Schließlich genehmigt die Kammer die Kredite 
mit 360 gegen 112 Stimmen. 
Nach dem amtlichen Sitzungsbericht der Kammer beläuft sich die Ge- 
samtsumme der bisher während des Krieges von Frankreich an seine Ver- 
bündeten geleisteten Vorschüsse insgesamt auf rund 6422 Mill. Fr. Davon 
entfallen auf Rußland 4287 Mill. Durch zwei Geheimabkommen vom 5. Febr. 
und 4. Okt. 1915 mit der russ. Regierung, deren Kenntnis die franz. Re- 
gierung dem Parlament vorenthielt, obgleich sie finanzieller Art waren und 
infolgedessen nach Art. 8 der Verfassung der Zustimmung des Parlaments 
bedurft hätten, verpflichtete sich die Regierung bis auf weiteres, die Zins- 
zahlung für die russ. Anleihen zu übernehmen. Das Abkommen vom 4. Okt-
	        
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