FErankreich. (März 1.) 251
am 26. Okt. 1870 von dem Großvater Wilhelms II. von Versailles aus
an sie gerichtet. Ich lese es wörtlich vor: „Nachdem Deutschland ungeheure
Opfer für seine Verteidigung gebracht hat, will es Sicherheiten dafür be-
siten, daß es in einem kommenden Krieg besser gerüstet ist, um den Angriff
abwehren zu können, mit dem wir zu rechnen haben werden, sobald Frank-
reich seine Kraft wiedergefunden und Verbündete gewonnen hat. Ausschließ-
lich diese Erwägung, nicht der Wunsch, mein Vaterland, dessen Gebiet schon
groß genug ist, zu vergrößern, zwingt mich, auf Gebietsabtretungen zu
bestehen, die nur den Zweck verfolgen, das Aufmarschgebiet der franz. Armee
zu verschieben, die in Zukunft uns angreifen wird.“ Kann man besser reinen
Tisch machen mit der Fabel, der Graf Hertling Glauben zu verschaffen sich
bemüht, daß die Annexion Elsaß-Lothringens nur dem Wunsche entsprungen
sei, Deutschland deutsche Landesteile zurückzugeben, deren es durch franz. An-
maßung einst beraubt worden sei? Weshalb verkündet der König von
Preußen diesen Entschluß, unsere Provinzen sich anzueignen? Weil es
deutsches Gebiet war? Nein, sondern weil er im voraus auf franz. Grund
und Boden sein Gebiet gegen einen Angriff von unserer Seite sichern wollte.
P. stellt dann die Behauptung auf, daß Elsaß-Lothringen seit den
Tagen Ludwigs XIV. als franz. Provinzen anerkannt sei, und fährt fort:
Sie wissen es sehr wohl, diese Leute, welche damit nicht zufrieden, den
schrecklichsten aller Kriege herbeizuführen, an dem Tag, an welchem sie ihn
mit Vorbedacht unvermeidlich machten, uns durch die feigste Mitschuld an
dem Hinterhalt, welchen sie Europa legten, zu entehren trachteten. Ich be-
weise dies durch die Mitteilung eines Aktenstückes, das die deutsche Reichs-
kanzlei, nachdem sie es verfaßt hatte, sorgfältig im tiefsten Geheimfach ver-
borgen hält. Wir kennen es erst seit kurzer Zeit. Es ist unbedingt echt und
trägt die Unterschrift v. Bethmann Hollweg sowie das Datum des 31. Juli 1914.
Man weiß aus dem deutschen „Weißbuch“, daß der deutsche Reichskanzler,
als er Baron v. Schön beauftragte, uns den Zustand drohender Kriegs-
gefahr gegenüber Rußland zu notifizieren, den Botschafter beauftragt hatte,
uns zu ersuchen, neutral zu bleiben, wobei uns für unsere Antwort eine
Frist von 18 Stunden eingeräumt wurde. Was man damals nicht wußte
und was ich jetzt enthüllen kann, ist die Tatsache, daß das Telegramm, das
diese Weisungen erhielt, folgendermaßen schloß: „Wenn die franz. Regierung
neutral zu bleiben erklärt, so wollen Ew. Exz. mitteilen, daß wir als Bürg-
schaft der Neutralität die Uebergabe der Festungen Toul und Verdun
verlangen müssen, die wir besetzen und nach der Beendigung des Krieges
mit Rußland zurückgeben würden. Die Antwort auf diese letzte Frage muß
hier vor Sonnabend (1. Aug.) nachm. 4 Uhr eintreffen.“ Dies ist der Friede,
den Deutschland zu der Stunde wollte, als es den Krieg erklärte. Da sehen
wir auch seine Aufrichtigkeit, wenn es behauptet, wir hätten es gezwungen,
zu seiner Verteidigung zu den Waffen zu greifen. Das ist der Preis, den
es von uns für unsere Neutralität verlangen wollte, wenn wir so treulos
gewesen wären, unseren Verbündeten Rußland preiszugeben und unsere
Unterschrift zu verleugnen, wie Preußen die seine verleugnete, als es den
belg. Neutralitätsvertrag zerriß. Wer kann sagen, wo es stehen geblieben
wäre, wenn wir auf die grobe Falle seiner schamlosen Perfidie hereingefallen
wären? Unsere Sache ist auf das Recht begründet, und die Urheber des
Krieges werden durch Fälschungen oder durch Weglassung von Dokumenten
vergeblich versuchen, sich dem Richterstuhl und dem Urteil der Nachwelt zu
entziehen. Es ist nicht nur die Volksvertretung Frankreichs, die zu Elsaß-
Lothringen sagt: „Ihr werdet zu Eurem Mutterlande zurückkehren“, sondern
es ist die große Koalition in ihrer Gesamtheit, die gebildet wurde, um den
Störern des Weltfriedens den Weg zu versperren und auf der Grundlage