254 krankreich. (März 8.)
unser Land niemals gekannt hat. Die unglücklichen Bewohner der besetzten
Gebiete haben Martern erduldet, derengleichen die Geschichte nicht kennt.
Der Flieger Garros sagte mir vorgestern bei einem Besuche, den er mir in
meinem Kabinett abgestattet hat, daß, wenn einer unserer Leute in deutscher
Kriegsgefangenschaft seine Pakete aus Frankreich nicht erhalte, er gezwungen
sei, vor Hunger zu sterben. So ist die Lage derjenigen, die wir lieben,
denen unsere Gedanken gelten, denen wir unsere Arme entgegenstrecken.
Das ist schlimmer als alles. Und Sie kommen mir mit Personenfragen.
Ich kenne sie nicht. Ich werde sie nicht kennen. Wir sind nicht an der
Macht, um den Triumph einer Partei zu sichern. Unser Ehrgeiz ist höher:
er zielt auf die Wahrung der moralischen Integrität des franz. Volkes.
Diese Moral war bewunderungswürdig. Jeder von uns hat das Recht, zu
sagen: Ich bin ein Sohn einer alten und schönen Geschichte. Ich bin ein
Sohn eines Volkes, das groß dachte, schrieb und handelte, und unsere Urenkel
werden ebenso denken, schreiben und handeln. Dies ist es, warum ich mich
in der Regierung befinde. Der Geist unserer Soldaten bildet den Gegen-
stand der Bewunderung aller: keine Aufregung, herrliche Heiterkeit der
Seele, Aeußerungen voll Fröhlichkeit, und wenn man vom Feinde spricht,
zuweilen eine Gebärde, um zu verstehen zu geben, daß die Anstrengungen.
der Feinde sich vor der Front erschöpfen werden. Das gereicht den früheren
Regierungen und dem franz. Volke selbst zum Lobe. Diesen Geist muß man
aufrechterhalten. Man sagt: Wir hätten sobald als möglich den Frieden
nötig. Ich wünsche den Frieden. Es wäre verbrecherisch, einen anderen Ge-
danken zu hegen, aber nicht dadurch, daß man nach Frieden winselt, bringt
man den preuß. Militarismus zum Schweigen. Meine Formel ist überall
dieselbe: sie lautet für die innere Politik: Ich führe Krieg, sie lautet für
die äußere Politik: Ich führe Krieg. Ich trachte, mich im Vertrauen mit
unseren Verbündeten zu erhalten. Rußland verriet uns. Ich setze den Krieg
fort und ich werde ihn fortsetzen bis zur letzten Viertelstunde, denn wir
sind es, denen die letzte Viertelstunde gehören wird. Sich an die Sozialisten
wendend, fährt Cl. fort: Daß vor dem Kriege einige von euch Ueberidealisten
auf die bevorstehende allgemeine Abrüstung hoffen konnten in dem Glauben,
daß man ihnen auf der anderen Seite des Rheins folgen werde, begreife
ich. Ich gehörte nicht zu den Ihrigen, aber ich verstehe, daß Sie hofften,
daß die heldenmütige Uneigennützigkeit eures Idealismus ansteckend wirken
würde. Dies ist nicht eingetreten. Es wäre ein Fehler, heute den durch die
Tatsachen so grausam widerlegten Versuch wieder aufzunehmen. Die Er-
fahrung eines solchen Friedens ist von Rußland gemacht worden. Eure
Freunde waren es, die diesen Versuch gemacht haben. Kerenski wollte in
diesem Augenblicke den Krieg. Er verschwand, und Lenin und Trotzki sind
zu den Deutschen gekommen, um ihren Feinden zu sagen: Wir wollen einen
demokratischen Frieden machen. Nun, Sie wissen, was für ein Frieden das
geworden ist. Wenn Sie noch von den Kriegszielen sprechen, fragen Sie
doch die Deutschen, welches die ihren sind. Sie haben es nicht nötig, sie
anzugeben. Die Tatsachen sprechen laut genug. Polen, Livland, die Ukraine
befinden sich unter dem Stiefel des Siegers, und während wir von Ruß-
land eine patriotische Begeisterung und einen Aufschwung zum Widerstande
gegen den Eindringling erwarten, antwortet uns Schweigen. Auf den
Boloprozeß anspielend, sagt Cl.: Ja, ich mache den Prozeß. Ich habe
es am ersten Tage gesagt, daß die Gerechtigkeit ihren Lauf nehmen würde,
und sie wird es. Wir werden bis ans Ende gehen in der Erfüllung der
Aufgabe, die nicht weniger schwierig ist wie die unserer Soldaten. Nichts
wird uns aufhalten, nichts uns beugen. Schließlich verlangt Cl. einen Aus-
druck des Vertrauens.