Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

258 Eraukreiq. (April 2. — 18.) 
2. April. (Paris.) Der Kassationshof verwirft die Berufung 
Bolo Paschas (s. S. 246) und Porcheres. 
4. April. Sirtusbriefaffäre. 
Veranlaßt durch eine Bemerkung des Grafen Czernin in seiner Rede 
v. 2. April (s. S. 23) über einen Friedensfühler Clemenceaus kommt 
es zu eingehenden Auseinandersetzungen zwischen der österr.-ung. und der 
franz. Regierung über diesen angebl. franz. Friedensfühler und den Brief 
Kaiser Karls an den Prinzen Sixtus v. 31. März 1917. (Näh. s. Anh. I.) 
Am 17. macht Ministerpräsident Clemenceau in einer Sitzung der 
Kammerausschüsse für Auswärtiges, Armee und Marine Mitteilungen 
über die Umstände, unter denen die Versuche Oesterreichs, eine Spaltung 
zwischen den Alliierten durch Friedensunterhandlungen herbeizuführen, sich 
abspielten, und überreicht das gesamte Aktenmaterial über diese Angelegenheit 
dem Ausschuß für Auswärtiges, der es durcharbeiten und darüber Bericht 
erstatten soll. (S. auch 8. Mai.) 
5. April. (Kammer.) Jahresbudget 1918. 
Die Kammer bewilligt einstimmig mit 475 Stimmen das Budget 
1918 (s. GeschKhal. 1917 Tl. 2 S. 472). Finanzminister Klotz beglückwünscht 
die Kammer, den ersten Kriegshaushalt genehmigt zu haben, der durch 
dauernde Einnahmen im Gleichgewicht gehalten werde. Die bewilligten 
Kredite betragen 8378478483 Fr. Sie umfassen die Verzinsung der Kriegs- 
anleihen und der laufenden Schuld sowie die Gehaltserhöhung der Beamten. 
6. April. Gründung der „Republ. Koalition“. 
Ihr Ziel ist die Zusammenfassung aller republ. Kräfte des Landes 
gegen die Umtriebe aller Art politischer Reaktion, die von den Antirepubl. 
jeder Schattierung bis zu den rücksichtslosen Kriegsverlängerern betrieben 
wird. Der Vorstand setzt sich aus führenden Persönlichkeiten der äußersten 
Linken des Parlaments und der Presse zusammen. Die soz. Partei ist durch 
Abg. der Mehrheit und der Minderheit vertreten, ebenso wie auch durch die 
bekanntesten Führer der Gewerkschaften. Von radikaler Seite ist nur der 
linke Flügel vertreten, mit den Abg. Dalbiez und Paul Meunier und dem 
Senator Debierre. Von den Soz. gehören dem Vorstand auch die ehemaligen 
Minister Sembat und Albert Thomas an. Die Koalition erläßt einen langen 
Aufruf, in dem sie sich für einen Verständigungsfrieden erklärt und an das 
deutsche Volk appelliert, um es auf seine Verantwortlichkeit aufmerksam zu 
machen, falls ein auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker begründeter 
Friede nicht zustande kommen sollte. Von der Reaktion wird der neue Ver- 
band als ein Manöver der Leute um Caillaux bezeichnet, die bereits eine 
Kabinettszusammensetzung bereit hielten, um das Kabinett Clemenceau zu 
ersetzen. 
17. April. Bolo Pascha (s. S. 246) wird in Vincennes erschossen. 
Präsident Poincaré hat seine Begnadigung abgelehnt. 
18. April. (Kammer.) Maßnahmen zur Unterbringung der 
Flüchtlinge, Vertagung. 
Die Kammer nimmt einen Gesetzentwurf an, wonach leerstehende mö- 
blierte und unmöblierte Wohnungen und Räumlichkeiten von der Regierung 
durch Vermittlung der Präfekten der einzelnen Departements zur Unter- 
bringung von Flüchtlingen aus den besetzten Gebieten requiriert werden 
können, und vertagt sich darauf bis 30. April, nachdem sie den Vorschlag 
des Präsidenten, sich bis zum 7. Mai zu vertagen, der von den Soz. mit
	        
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