Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

282 Ffrankreich. (Okt. 29. Nov. 4.) 
Aburteilung der für diese Missetaten Verantwortlichen zu gelangen, da Ge- 
rechtigkeit die erste Friedensbedingung sein muß.“ — Der Minister des 
Aeußern, Pichon, erklärt, die Regierung sei mit dem Antrag völlig ein- 
verstanden, und schließt mit den Worten: Es wird für alle diese abscheu- 
lichen Taten andere Sanktionen geben als die sittliche Verurteilung, die 
schon durch das Gewissen ausgesprochen ist. Es wird darüber materiell 
Recht gesprochen werden. Wir werden es nicht zugeben, daß die Verantwort- 
lichkeiten schamlos beiseite gerückt werden, wie diejenigen es tun möchten, 
die in der blinden Wut der Niederlage nicht die Tragweite ihrer Hand- 
lungen berechnen und beim Zurückweichen vor dem siegreichen befreienden 
Vormarsch unserer Heere ihre Greuel verdoppeln. Wir werden mit unseren 
Verbündeten darüber wachen, daß das Werk der Gerechtigkeit sich bis zum 
Ende erfülle, auf daß für immer von der Welt, die auf Gerechtigkeit ruht, 
die Möglichkeit der Wiederkehr solcher Scheußlichkeiten verschwinde. 
Der Antrag Conyba wird angenommen und der Senat beschließt ein- 
stimmig den sofortigen Anichlag der beiden Erklärungen. 
29. Okt. Beginn des Prozesses Caillaux. 
Der Senat tritt unter dem Vorsitze des Präsidenten Dubost als 
Staatsgerichtshof in der Angelegenheit Caillaux, Comby und Loustalot 
(s. S. 242 f.) zusammen. Generalprokurator Lescouvé verliest die Anklage- 
schrift, die in folgenden Schlußfolgerungen ausklingt: Es wird gegen Cail- 
aux, Comby und Loustalot die Anklage erhoben, daß sie seit Kriegsbeginn 
in Frankreich oder im Auslande gegen die äußere Sicherheit des Staates 
durch Machenschaften und Einverständnis mit dem Feinde Anschläge verübt 
haben, indem sie danach trachteten, die Unternehmungen des Feindes gegen 
Frankreich oder seine Verbündeten in einer Weise zu begünstigen, die ge- 
eignet war, die Pläne der feindlichen Armeen zu fördern. (Weitere Mit- 
teilungen aus der Anklageschrift s. in der „Nordd. Allg. Ztg.“ 1918 Nr. 559.) 
L. beantragt schließlich, daß der Staatsgerichtshof das Untersuchungsverfahren 
gegen die drei Beschuldigten und eventuell gegen alle anderen in Frage 
kommenden Personen anordne. Der Staatzsgerichtshof entscheidet gemäß den 
Anträgen des Generalprokurators und beauftragt eine Kommission mit der 
Untersuchung. 
29. Okt. Friedensmanifest der Linksparteien. 
„Havas“ veröffentlicht einen Aufruf des Allgemeinen Arbeitsverbandes, 
der Liga der Menschenrechte, der Republik. Vereinigung und der soz. Partei 
an die Nation, worin diese Vereinigungen, welche die bewegenden Kräfte 
der Arbeit und der Demokratie darstellten, ihre volle Uebereinstimmung 
mit den seit zwei Jahren vom Präsidenten Wilson verkündeten Prinzipien 
und mit den seit vierzehn Tagen von ihm vollzogenen Handlungen erklären 
und die Erwartung aussprechen, daß die franz. Regierung im Einvernehmen 
mit den verbündeten Regierungen und dem Präsidenten Wilson beschließen 
werde, auf das Waffenstillstandsanerbieten der Mittelmächte eine entschiedene, 
aber auch kluge Antwort zu erteilen, die einzig und allein von den wahren 
Interessen der Völker eingegeben werde. 
Der jüngst tagende Kongreß der rad. und rad.-soz. Partei hat den 
Aufruf abgelehnt und sein Bedauern ausgedrückt, daß einige rad. Vertreter 
an der Ausarbeitung der unangebrachten Kundgebung teilgenommen haben. 
Besonders bedauerlich sei, daß Elsaß-Lothringen nicht erwähnt sei. Die 
bürgerlichen Parteien verwerfen den Aufruf vollständig. 
4. Nov. (Versailles.) Der interalliierte Oberste Kriegsrat 
genehmigt die Waffenstillstandsbedingungen für Deutschland.
	        
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