Kraukreich. (Nov. 22. 24.) 287
Ueber die Besetzung E.-L.s durch die franz. Truppen s. die Kriegs-
chronik. — In den Garnisonen werden auf Befehl des Marschalls Foch die
A.= u. S.-Räte aufgehoben.
22. Nov. (Kammer.) Frage der Demobilmachung.
Bei einer Interpellationsverhandlung über die sofortige Entlassung
aller Territorialklassen kommt es zu stürmischen Szenen. Die Regierung
hat in Erwartung dieser Aussprache bereits die Entlassung der ältesten
Jahrgänge 1887 bis 1889 verfügt, d. h. derjenigen Soldaten, die vor dem
Jahre 1870 geboren sind. Unterstaatssekretär Abrami stellt weiter in Aus-
sicht, daß der Jahrgang 1890 in einer Woche und der Jahrgang 1891 noch
vor Jahresschluß entlassen werden soll. Die eigentliche Demobilisierung
sei jedoch noch nicht möglich.
Der Kammer liegen zwei Tagesordnungsanträge vor. Derjenige des
Radikalen Durand spricht das Vertrauen aus, daß die Regierung sofort
nach Erfüllung der Waffenstillstandsbedingungen die Entlassung der Ersatz-
reserven durchführt. Die Tagesordnung des Sozialisten Aubriot verlangt
die Entlassung der Jahrgänge 1890—1897 für den 1. Jan. 1919. Die Re-
gierung stellt zugunsten der Tagesordnung Durand die Vertrauensfrage,
worauf der Antrag Aubriot mit 357 gegen 149 Stimmen abgelehnt und
die Tagesordnung Durand mit 393 gegen eine Stimme angenommen wird.
Die äußerste Linke enthält sich dabei der Abstimmung.
24. Nov. Friedensprogramm der franz. Gewerkschaftler.
Die vom Ausschuß des Generalverbandes der franz. Gewerk-
schaften in Paris veranstaltete Wilson-Versammlung nimmt nach lebhafter
Diskussion folgende Tagesordnung an: An der Schwelle des Friedens er-
klärt der Allgemeine Gewerkschaftsverband im Namen der organisierten Ar-
beiterklasse von neuem seine Zustimmung zu den 14 Punkten des Präsidenten
Wilson. Der Friede der Völker soll nach seinem Ermessen auf folgenden
Grundsätzen aufgebaut werden: 1. Gründung des Vereins der Nationen
durch das freie Zusammenarbeiten aller Völker mit dem Ziele, jeden Keim
künftiger Kriege zu beseitigen und ein internationales Recht aufzustellen.
2. Ausschluß jedes wirtschaftlichen Krieges, der, wenn auch nur von einem
einzigen Lande unternommen, das von ihm betroffene Volk zu seiner un-
erläßlichen Verteidigung zu Repressalien fortreißen müsse. Die großen über-
seeischen Verkehrslinien müssen unter dem Schutz des Vereins der Völker
den Schiffahrten aller Länder ohne Einschränkung geöffnet sein, Verzicht
auf jeden Protektionismus, der fatalerweise zu einer Beraubung der Arbeiter-
klasse führen müsse. 3. Wenn jede Nation sich bemüht, ihre Produktions-
kräfte in vernünftiger Weise den physischen und materiellen Hilfsquellen.
anzupassen, kann die Verwertung der Produkte auf schnellem und freiem
Wege vollzogen werden, ohne Beeinträchtigung des Betätigungswillens der
anderen Völker und ohne künstliche Hilfsmittel. Zu diesem Zwecke ist ein
internationales Amt nötig für die Regelung des Verkehrs und der Ver-
teilung der Rohstoffe sowie die internationale Verwaltung des gesamten
Kolonialbesitzes zu einer besseren Ausnützung aller Erzeugnisse der Erde,
zum Wohle der Menschheit und zur materiellen und sittlichen Hebung der
Eingeborenen. 4. Ausgleich des Kriegsschadens ohne jede auf Rachsucht
begründete Vergeltung, Verzicht auf Gebietsaneignungen und Anerkennung
des Selbstbestimmungsrechts der Völker. 5. Der Verein der Völker soll, indem
er der Welt eine Rechtsverfassung gibt, mit der allgemeinen Abrüstung be-
ginnen und sie zu gutem Ziele führen. So wird jegliche Art des Militarismus
beseitigt und die Demokratie der Welt wird triumphieren. 6. In Bezug auf
die innere Politik verlangt die Tagesordnung die Heranziehung der Gewerk-