Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

298 fraukreich. Dez. 27.—31.) 
Abg. Renaudel (Soz.) verlangt, daß die Kammer den Kredit statt 
für drei Monate nur für einen Monat bewillige. 
Finanzminister Klotz bekämpft den Antrag und stellt die Vertrauensfrage. 
Abg. Albert Thomas (Sogz.) fordert die Regierung auf, zu den 
normalen parlamentarischen Methoden zurückzukehren und auf die gestellten 
Fragen zu antworten. 
Ministerpräsident Clemenceau erwidert: Die Regierung hat während 
des Krieges alle Fragen beantwortet, aber sie hat das Recht, die Zeit hierzu 
zu wählen. Diese Methode war nicht schlecht, da der Krieg zu allgemeiner 
Befriedigung geendigt hat. Diese Methode wurde seit dem Waffenstillstand 
von der Regierung wieder befolgt. Die Regierung hat das Recht, zwischen 
den Interpellationen zu wählen. Es gibt darunter unnötige und auch ge- 
fährliche. Während der Zeit der Bedrängnisse und Leiden haben wir das 
Parlament ersucht, gewisse Erörterungen zu vertagen. Das Parlament und 
das Land selbst hat uns Vertrauen geschenkt. Es ist nichts vorgekommen, 
was einer Klage oder einer Beschwerde ähnlich sähe. Die Opposition nimmt 
ihre Taktik wieder auf. Ich bitte die Kammer, diese Methode abzulehnen. 
Die Friedensfrage ist eine furchtbare Frage, eine der schwersten, die 
der Nation je unterbreitet worden ist. In einigen Tagen tritt in Paris 
eine Konferenz von Staatsmännern zusammen, die das Schicksal der 
Nationen aller Weltteile entscheiden werden. Cl. betont, er habe sich jedes- 
mal, wo er darum ersucht worden sei, geäußert, er habe sich aber nicht 
für bemüßigt gehalten, zu reden, teils weil Lloyd George gesprochen habe, 
teils weil Wilson aus Amerika mit erhabenen Gedanken gekommen sei. 
Frankreich, sagt Cl., befindet sich in einer besonders schwierigen Lage. Es 
ist das Deutschland nächstgelegene Land. Amerika ist fern. Es hat Zeit 
gebraucht, um zu kommen. England ist auf die Stimme Asquiths sofort 
gekommen; ich lege Wert darauf, es ihm zu sagen. Und während dieser 
Zeit haben wir Mühsale erduldet, gelitten und gekämpft, sind unsere 
Männer dahingerafft, unsere Städte und Dörfer zerstört worden. Die 
ganze Welt sagt: Es darf nicht möglich sein, daß dies wieder beginnt. Es 
gibt ein altes System, das heute aufsgegeben scheint, dem ich aber treu 
bleibe. Die Länder organisierten ihre Verteidigung und trachteten danach, 
gute Grenzen, Rüstungen und das zu haben, was man das Gleichgewicht 
der Mächte neunen kann. Dieses System scheint aufgegeben. Aber wenn 
ein solches Gleichgewicht der Mächte dem Kriege vorangegangen wäre, 
wenn England, Amerika, Frankreich, und Italien übereingekommen wären, 
zu sagen, daß jeder, der eines dieser Länder angriffe, die ganze Welt an- 
greife, so wäre es zu keinem Kriege gekommen. Dieses System von Bünd- 
nissen, auf das ich nicht verzichte, wird bei der Konferenz mein leitender 
Gedanke sein, wenn Ihr Vertrauen mich dorthin entsendet, damit man 
nicht im Frieden die vier Mächte trennen könne, die gemeinsam gekämpft 
haben. Ich werde zu diesem Zweck alle Opfer bringen. Warum wollen Sie, 
daß wir so heikle Fragen behandeln und daß ich die Argumente beein- 
trächtige, die ich zur Geltung zu bringen verpflichtet bin. Ich muß Sie 
um Diskretion und Vertrauen bitten. Ihr Vertrauen, das mich während 
des Krieges so sehr geehrt und so sehr gefördert hat, erweisen Sie mir es 
auch weiterhin im Frieden. Cl. erklärt, er würde von einer internationalen 
Organisation, über welche übrigens Klarheit nicht vorhanden sei, ergänzende 
Bürgschaften für Frankreich annehmen, insbesondere wenn sie es ermög- 
lichen, die Opfer des Landes bezüglich der militärischen Vorbereitung zu 
vermindern. Man sagt, daß man eine neue Gerechtigkeit schaffen will. Ich 
bitte, über die Weltkarte nach zudenken. Die Völker haben sich stets aufs- 
einander losgestürzt. Dieser ganze Völkerdrang hat durch das Zusammen-
	        
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