Stalien. (Febr. 12.—23.) 303
Ungarn von dem festen Willen beseelt, zur Verteidigung der Verbündeten
bis zum äußersten zu kämpfen. Hiernach zeige sich weder bei Graf Czernin
noch bei Graf Hertling ein Ergebnis, außer wo es sich darum handele.
daß etwas vom Besitzstande der einen oder der anderen Ententemacht ab-
getreten werden soll. Bezeichnend für die Auslegung, welche die Mittel-
mächte Wilsons Grundsätzen vom Selbstbestimmungsrechte der Völker und
dem Verzicht auf Annexionen geben, seien die Verhandlungen von Brest-
Litowsk, wo über Litauen, Estland, Kurland, Finnland und die polnischen
Völkerschaften willkürlich verfügt worden sei. Bezüglich der allgemeinen Ab-
rüstung habe Graf Czernin erklärt, mit einer Einschränkung der Rüstungen
nach Maßgabe der durch die innere Sicherheit des Staates bedingten Er-
fordernisse einverstanden zu sein, aber in Verfolgung dieses Grundsatzes
würde besonders Oesterreich--Ungarn bevorzugt werden wegen der besonderen
Verhältnisse, welche die Spannung zwischen den verschiedenen Nationali-
täten dortselbst schafft. So liege denn offen zutage, daß die Gegner ihre
Friedenserklärungen auf der unbestimmten Gutheißung einiger von den
Staatsmännern der Entente zur Erreichung besserer Friedensgrundlagen
ausgesprochener allgemeiner Gedanken aufbauten, aber andererseits der
Lösung der besonderen, genau umschriebenen Probleme, die den gegen-
wärtigen Krieg verursacht hätten und gegebenenfalls eine dauernde Gefahr
für den Frieden bilden würden, unbedingt ablehnend gegenüberständen.
Italien sei immer bereit, jeden ernsthaften Friedensvorschlag im Vereine
mit seinen Verbündeten einer Prüfung zu unterwerfen, könne sich jedoch
nicht leichtfertig in Friedensverhandlungen einlassen, ohne jegliche Gewähr
für die von den Gegnern vorzuschlagenden Bedingungen. Sodann betont
S., daß Deutschland mit Mißhelligkeiten unter seinen Gegnern und mit
revolutionären Strömungen in ihren Ländern rechne, und daß der Beginn
von Friedensverhandlungen die Gefahr in sich berge, daß die Feindselig-
keiten nicht wieder ausgenommen werden könnten, weil ungeachtet der Natur
der gestellten Friedensbedingungen die Völker durch die bloße Aussicht auf
einen baldigen Frieden erschlaffen würden. Leider findet der Feind, fährt
S. fort, im Gebiet der Entente selbst unfreiwillige Unterstützung seiner
tückischen Versuche in jenen zahlreichen Elementen, die nicht bedenken, daß
es im Interesse der Freiheit und der Demokratie vor allen Dingen gilt,
durch den Sieg der Waffen zu verhüten, daß der deutsche Traum der all-
gemeinen Vorherrschaft sich verwirkliche. So ist beispielsweise ein Propaganda-
feldzug eingeleitet worden, um die Meldung zu verbreiten, die Kriegs-
ziele Italiens seien imperialistischer, undemokratischer und antinationaler
Natur. Nichts davon ist wahr. Unsere Forderungen an Oesterreich-Ungarn
beruhen auf völkischen Gedanken und auf der legitimen Sicherheit zu Lande
und zur See. Die Gründe ethnischer Natur sind ohne weiteres klar. Sie
sind geheiligt durch die nie bezähmte ital. Seele der Irredenta. Die Gründe
der legitimen Sicherheit zu Lande und zur See sind ebenso offenkundig.
Eine billige Lösung ist nur möglich bei gegenseitigen Konzessionen und
Opfern; aus dieser Anschauungsweise gehen die italienischen Forderungen
hervor, die nach unserer Ueberzeugung so gehalten sind, daß sie ein ver-
trauensvolles Zusammenwirken auf politischem und wirtschaftlichem Boden
für die Zukunft sichern, und es liegt im Lebensinteresse Italiens und der
südflaw. Nationalitäten, diesen Forderungen eine unverrückbare Grundlage
zu geben. Wir begehren nur dieses Mindestmaß von Sicherheit für die
militärische Grenze als unerläßliche Vorbedingung der Freiheit und politischen
Unabhängigkeit, die einen friedlichen Aufschwung unserer Kräfte und eine-
Entfaltung unserer Tätigkeit ermöglicht. Was das östliche Mittelmeer an-
betrifft, so kann ich nur das sagen, was ich schon früher gesagt habe. Wir