Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

Italien. (Febr. 15.—März 4.) . 305 
Verbündeten, muß sie jetzt mehr als jemals gestützt und gestärkt werden 
durch Ihre offene Zustimmung und Ihr volles Vertrauen. (Der Wortlaut 
der Rede ist in der „Frankf. Ztg.“ v. 25. Febr. 1918, Abendausg. mitgeteilt.) 
Am Schlusse der Aussprache ergreift Ministerpräsident Orlando noch 
einmal das Wort. Er teilt mit, daß dank den Verbündeten nunmehr die 
für Italien bis März notwendige Getreidemenge gesichert und auch be- 
züglich der Kohlenlieferung mit den Verbündeten eine Verständigung erreicht 
worden sei. Die Untersuchungen über die Begebenheiten von Karfreit könnten 
während der Kriegsdauer unmöglich parlamentarischen Charakter erhalten. 
Die Interessen des Krieges bestimmten auch die Art der inneren Politik, 
deren reaktionärer oder liberaler Charakter untergeordnete Wichtigkeit habe. 
Angesichts des Feindes, der auf ital. Boden stehe, gebe es nur eine Möglich- 
keit: Widerstand zu leisten, und dies sei das Programm des Ministeriums. 
Um den Ideen, welche die Sozialisten vertreten, zum Triumph zu verhelfen, 
müsse man kämpfen und siegen. Auch Wilson habe erklärt, die Waffen würden 
vor dem Sieg seiner Grundsätze nicht niedergelegt werden. 
Sodann nimmt die Kammer mit 340 gegen 44 Stimmen eine Tages- 
ordnung an, die die Erklärungen der Regierung billigt und beschließt, sich 
bis zum April zu vertagen und der Regierung die Festsetzung des genauen 
Zeitpunktes für den Wiederzusammentritt zu überlassen. Nach dem „Giornale 
d’ Italia“ haben die ernsten Sorgen, die die Regierung angesichts der internat. 
politischen Lage beschäftigen, die auffallend frühzeitige Vertagung der 
Kammer veranlaßt. 
15. Febr. Einführung des Zivildienstes. 
Ein kgl. Erlaß ordnet für Landwirtschaft, Industrie, Staatsdienst usw. 
den freiwilligen Zivildienst an. Für den Fall, daß das Angebot Freiwilliger 
ungenügend ist, behält sich die Regierung die Einführung des Zwanges vor. 
27. Febr. Einführung des Ackerbauzwanges. 
Der Gesetzentwurf Miliani über den Ackerbau wird durch eine Ver- 
ordnung des Reichsverwesers in Kraft gesetzt. Nach diesem Gesetz kann die 
Regierung die Bebauung allen brachliegenden Landes, die Ausnützung sämt- 
licher landwirtschaftlichen Gebäude und Anlagen erzwingen, im Notfall sogar 
die Bebauung auf Rechnung des Besitzers für einen Zeitraum bis zu sechs 
Jahren selbst durchführen. Durch die Schließung der Kammer ist eine Aus- 
sprache über dieses Gesetz, der man mit Besorgnis entgegensah, vermieden 
worden. 
28. Febr. Verurteilung soz. Parteifunktionäre. 
Die „Ag. Stef.“ meldet aus Rom: Der Generalsekretär der sozialistischen. 
Partei Lazzari und der Vizesekretär Bombacci, die der Propaganda 
angeklagt sind, die geeignet ist, die Widerstandskraft des Landes zu ver- 
mindern, sind vom Gerichtshof in Rom zu 2 Jahren 11 Monaten Zuchthaus 
und 3900 Lire Buße bzw. zu 2 Jahren 4 Monaten Zuchthaus und 2100 
Lire verurteilt worden. — Wegen dieses Urteils kommt es in Rom zu Kund- 
gebungen der Soz. Der „Avanti" nennt die Gerichtsverhandlungen Ruhmes- 
blätter in der Geschichte der offiziellen soz. Partei Italiens. 
28. Febr.—4. März. (Senat.) Regierungspolitik. 
Der Senat beginnt am 28. die Aussprache über die Regierungs- 
erklärung v. 12. (k. S. 301). 
Am 4. März gibt Schatzminister Nitti einen Ueberblick über die 
finanzielle Lage, wobei er bekannt gibt, daß sich die allgemeinen Aus- 
gaben Italiens vom 1. Aug. 1914 bis 31. Dez. 1917 auf 44,478 Milliarden 
Europäischer Geschichtskalender. LIX1 20
	        
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