Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

306 · Ilalien. (März 4.— April 9.) 
Lire belaufen. Sodann macht Verpflegungskommissar Crespi wichtige Mit- 
teilungen über die Lebensmittellage Italiens. 
Hierauf beantwortet Ministerpräsident Orlando auf verschiedene An- 
fragen, wobei er betont, alle Parteien Italiens seien einig für die Fort- 
setzung des Krieges bis zum äußersten. Zur südslaw. Frage sagt O., daß 
die Sympathie für das montenegrinische Volk von der ital. Regierung leb- 
haft an den Tag gelegt werde, und daß die Befreiung dieses Volkes von 
der gegenwärtigen fremden Besetzung ein Teil der Kriegsziele Italiens und 
des ganzen Verbandes sei. Gegenüber der von Oesterreich befolgten Politik, 
die völkischen Leidenschaften der durch es unterdrückten Rassen zu entfesseln, 
die eine gegen die andere auszuspielen, um sie um so leichter beherrschen 
zu können, müsse Italien eine entgegengesetzte Politik einschlagen, die ver- 
suche, die Auseinandersetzungen und den Haß durch eine Solidarität, die 
aus gemeinsamen Leiden hervorgeht, zu ersetzen. Alles dieses müsse ge- 
schehen können, ohne daß es notwendig sei, schon jetzt festzustellen, welchen 
Einfluß diese Haltung auf die Kriegsziele haben solle. Das schmerzliche 
Mißverständnis zu beseitigen, das entstanden war zwischen den ital. An- 
sprüchen und den Gefühlen der Adriaslawen, bilde an sich ein großes, ge- 
rechtes und nützliches Ziel. 
Der Senat stimmt schließlich einer von Scialoja eingebrachten Tages- 
ordnung, die sich mit den Regierungserklärungen einverstanden erklärt, zu 
und vertagt sich dann auf unbestimmte Zeit. 
4. März. Anerkennung der Unabhängigkeit Finnlands. 
Der Minister des Aeußern Sonnino empfängt die finnländischen Dele- 
gierten, die ihm die Proklamation der Unabhängigkeit Finnlands mitteilen. 
20. März. Wechsel im Kriegsministerium. 
Die „Ag. Stef.“ meldet darüber am 22.: Da Kriegsminister Alfieri 
den Wunsch geäußert hat, ein Kommando an der Front zu übernehmen, 
und dringend auf seinem Wunsch bestand, hat der Ministerpräsident dem 
König vorgeschlagen, das von Alfieri eingereichte Entlassungsgesuch anzu- 
nehmen. Durch Erlaß vom 20. März wurde Senator General Zuppelli 
zum Kriegsminister ernannt. — Z. hatte dieses Portefeuille bereits im 
Kabinett Salandra v. Okt. 1914 bis April 1916 inne, übernahm dann 
ein Divisionskommando an der Front und wurde im Juli 1917 zur Dis- 
position gestellt. 
8.—9. April. (Rom.) Kongreß der von OÖsterreich--Ungarn unter- 
drückten Völkerschaften. 
Sie sind durch 7 Tschechen, 5 Rumänen, 8 Polen und 9 Südslawen 
vertreten. Die serb. Skupschtina entsandte 12 Abgesandte. Außerdem wohnen 
3 ital. Senatoren, darunter Albertini, der Direktor des „Corriere della Sera“, 
8 ital. Abg. und zahlreiche nationalistische Schriftsteller und Politiker dem 
Kongreß bei. Auch Franzosen, Engländer und Amerikaner sind erschienen. 
Namens des röm. Bürgermeisters eröffnet Abg. Guglielmi die Tagung. 
Zum Vorsitzenden wird gewählt der ital. Exminister Ruffini, zu Vize- 
präsidenten der ital. Abg. Torre, der Franzose Franklin-Bouillon, der Eng- 
länder Steed, der Amerikaner Nelson Gay, der Tscheche Benesch, der Rumäne 
Dragicesci, der Südslawe Trumbitsch, der Pole Zamorski. 
In der Schlußsitzung wird eine einstimmig formulierte Erklärung 
verlesen, in der die auf dem Kapitol in Rom versammelten Vertreter der 
von Oesterr.-Ung. unterdrückten Nationen hervorheben, daß dieser Krieg 
durch den deutschen und magyarischen Imperialismus hervorgerufen wurde, 
und in der sie sich solidarisch erklären im Kampfe gegen diese reaktionären
	        
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