308 Stalien. (April 20.—25.)
20. April. (Kammer.) Sonnino über die Friedensfühler.
Veranlaßt durch eine Interpellation des interven. Abg. Ciriani über
die Friedensverhandlungen, die in letzter Zeit (s. S. 27) den Gegen-
stand einer internationalen Polemik bildeten, erklärt der Minister des Aeußern
Sonnino, er könne das Interesse der Abg. an den durch die Polemik
zwischen Clemenceau und der österr.-ung. Regierung aufgeworfenen Fragen
wohl begreifen, müsse aber im öffentlichen Interesse wünschen, daß keine
Debatte über diese Angelegenheit entstehe. Immerhin glaube er sich ver-
pflichtet, eine kurze Erklärung über die Tatsachen abgeben zu sollen, auf
die die verschiedenen Interpellationen und Anfragen Bezug nehmen. Die
ital. Regierung, fährt S. fort, war von ihren Verbündeten über die ver-
schiedenen Versuche unterrichtet. Sie setzte keinen formellen Widerstand ent-
gegen, brachte aber den Verbündeten gegenüber ihre absolute Ueberzeugung
zum Ausdrucke, daß diese Vorschläge und Besprechungen keinerlei praktischen
Wert ergeben würden. Die Regierung war stets der Meinung, es handle
sich um feindliche Machenschaften, deren doppelter Zweck war, Mißtrauen
und Zwist unter den Verbündeten zu schaffen und sodann im Interesse der
Kriegführung Gewinn zu ziehen aus dem Gefühl der Erschlaffung, das jede
Nachricht von Friedensverhandlungen bei unseren Völkern naturgemäß hervor-
bringen müsse. Bei der Zusammenkunft von St. Jean de Maurienne v.
19. April 1917 (s. Gesch Kal. 1917 Tl. 2 S. 402) wurden die Bestrebungen
Oesterreich-Ungarns, bei einer der alliierten Mächte einen Sonderfrieden
zu erlangen, gemeinsam mit unseren Verbündeten nach allgemeinen Punkten
auf ihren Kern geprüft. Wir waren im vollen Einvernehmen mit unseren
Verbündeten. In einem eigens aufgestellten Protokoll wurde die Einleitung
von Verhandlungen als inopportun bezeichnet, weil dies bei der damaligen
Lage eine schwere Gefahr hätte mit sich bringen und die zwischen den Ver-
bündeten bestehende feste Einigkeit hätte schwächen können. Andererseits hat
die ital. Regierung niemals weder direkt noch indirekt unter irgendeinem
Deckmantel an einer derartigen Fühlungnahme mit dem Feinde teilgenommen.
Ich erkläre das auch, um kurz und bündig jenem hinterlistigen Gerücht den
Boden abzugraben, das im Königreiche durch den Feind oder durch De-
faitisten aller Sorten über vorgebliche Bedingungen, die Oesterreich-Ungarn
uns angeboten habe, und über unsere Verhandlungen mit ihm verbreitet
wurde. Es wäre nicht opportun, heute in die näheren Einzelheiten ein-
zutreten, um nicht Diskussionen Raum zu geben, die allzu leicht den hinter-
listigen Zielen unserer Feinde nützlich sein könnten. Ich bitte daher den
Abg. Ciriani, nicht auf seiner Interpellation zu beharren, da ich sie auf
jeden Fall nicht annehmen könnte. — Abg. Ciriani verzichtet sodann auf
die Interpellation und erklärt sich befriedigt, die bedeutenden Erklärungen
Sonninos hervorgerufen zu haben.
24. April. (Kammer.) Ausfuhrpolitik.
Bei der Erörterung von Interpellationen betr. Ausfuhr von Flockseide
stellt Abg. Toscanelli (Giol.) den Antrag, die gesamte Ausfuhrpolitik der
Regierung seit 1914 einer parlamentarischen Untersuchung zu unterziehen.
Finanzminister Meda legt daraufhin eine 4000 Seiten starke Außenhandels-
statistik vor und verlangt, daß der Antrag bis zur Prüfung dieses stat.
Materials durch die Abg. vertagt werde. Dementsprechend lehnt es die
Kammer in der vom Ministerpräsidenten verlangten namentlichen Ab-
stimmung mit 242 gegen 72 Stimmen ab, den Antrag T. auf die Tages-
ordnung des nächsten Tages zu setzen.
25. April. (Kammer.) Verlängerung der Legislaturperiode,
Munitionsskandal.