Stalien. (April 26.—Mai 15.) 309
In der Debatte über den Gesetzentw. betr. die Berlängerung der
Legislaturperiode (s. S. 307) erklärt Abg. Massi (Soz.) sich dagegen,
da nichts hindere, daß auch während des Krieges Neuwahlen vorgenommen
werden. — Abg. Gambarotta (Unabh. Rad.) pflichtet dieser Auffassung
bei und bemerkt, daß Neuwahlen während des Krieges geradezu erwünscht
seien, da sie das Problem des Friedensschlusses unzweifelhaft aufs wirk-
samste in Fluß brächten. — Schließlich wird der Gesetzentw. mit 247 gegen
69 (soz.) Stimmen angenommen. — Am 2. Mai stimmt auch der Senat zu.
zu sehr heftigen Szenen kommt es bei der Erörterung der wegen Unregel-
mäßigkeiten jüngst erfolgten Verhaftung von Beamten des Munitions-
ministeriums sowie der Neuordnung dieses Ministeriums. Nach einer
Rede des Ministerpräsidenten Orlando, der im Gegensatze zu Anträgen,
die aus sachlichen oder zeitlichen Gründen das Kabinett in eine mißliche
Lage zu versetzen drohen, die Tätigkeit der Regierung verteidigt, wird die
Debatte über den Munitionsskandal mit 235 gegen 70 Stimmen auf die
nächste Session verschoben.
26. April. (Kammer.) Ausdehnung d. Wahlrechtes, Vertagung.
Die Kammer nimmt die Vorlage betr. Ausdehnung des Wahl-
rechtes auf alle Kämpfer (s. S. 307) an. Dazu liegen sehr viele Anträge
vor, die Verhältniswahl, Listenabstimmung, Frauenstimmrecht und jede
mögliche Reform verlangen. Fast alle werden nach einer Rede Orlandos
zurückgezogen, der darauf hinweist, daß die Kammer in dieser dringenden
Zeit so schwerwiegende und verwickelte Probleme nicht in Angriff nehmen und
erledigen könne. Er selbst sei im Gegensatz zu seinen früheren Ansichten ein über-
zeugter Anhänger des Frauenstimmrechts geworden, aber jetzt könne man
es nicht durchführen. Auch Salandra verzichtet auf seinen Vorschlag betr.
Ausdehnung des passiven Wahlrechts auf alle Fünfundzwanzigjährigen. —
Am Schluß der Sitzung vertagt sich die Kammer gemäß des Wunsches der
Regierung bis zur ersten Junihälfte, nachdem sie einen Antrag Turati
auf Wiedereröffnung am 20. Mai abgelehnt hat.
29. April. (Rom.) Eröffnung der zweiten Tagung der wissen-
schaftlichen Interalliiertenkonferenz für das Ernährungswesen.
12. Mai. (Rom.) Eröffnung des ersten Nationalkongresses der
Soz. Union (Unione Sozialista Italiana).
Die Soz. Union umfaßt denjenigen Teil der Soz., die den Kriegshetzern
gleichzustellen sind. Ihr Organ, der „Popolo d'Italia“ erklärt, daß die
neugegründete Organisation mit diesem Kongreß ihre Gleichberechtigung
mit allen bereits bestehenden Parteien dokumentiere, deren Programm laute:
Das Wohl des Vaterlandes und seine Sicherheit müssen über der Partei stehen.
15. Mai. Gefangenenabkommen mit Deutschland. (S. Schweiz.)
15. Mai. Veränderungen im Ministerium.
Die „Ag. Stef.“ meldet amtlich die Annahme des Rücktrittgesuches
des Munitionsministers Generals Dallolio und des Ministers für See-
verkehr und Eisenbahnen Bianchi. Dieser wird ersetzt durch den Senator
Giovanni Villa. Das Munitionsministerium wird interimsweise vom
Kriegsminister Zuppelli versehen.
Der Rücktritt Dallolios war nach den in seinem Ministerium ent-
hüllten Unregelmäßigkeiten (s. o.) unvermeidlich. Das Ausscheiden des als
sehr tüchtig anerkannten Ministers Bianchi wird auf Unstimmigkeiten be-
züglich des Seetransportwesens und die Auslandszufuhren mit dem Minister-
präsidenten zurückgeführt.
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