312 Ilalien. (Juni 23. — Juli 22.)
nungen wie die andern. Er wolle nur die Bitte stellen, die Regierung
möge die Kammer sobald als möglich wieder einberufen und ihr die Wahr-
heit nicht verhehlen. (Die soz. Union von Rom beschließt, Turati wegen
dieser unsozialistischen Rede aus der Partei auszuschließen.)
Ministerpräsident Orlando ergreift sodann das Wort zu einer Schluß-
ansprache: Die Politik der Regierung gegen die unterdrückten Völker
Oesterreichs ist beseelt von einem Gefühl tiefer Solidarität und von leb-
hafter Sympathie für deren Sache. Der Sieg der Entente wird diesen
Völkern die Verwirklichung ihrer Hoffnungen bringen. Sie können sicher
auf die feierlichen Versprechungen der Entente zählen. Die Kammer weiß,
daß es notwendig ist, alle unsere Kräfte zu sammeln und auf das eine
Ziel zu richten: Auf das Heil des Vaterlandes. Ich erkläre, daß die Politik
der Regierung stets auf die nationale Eintracht abzielte. Nach dem ge-
waltigen Unglück vom letzten Oktober gestattet uns das Beispiel des heutigen
Widerstandes und der Solidarität Italiens ein feierliches Glaubensbekenntnis.
Die Regierung wird keine Gelegenheit vorübergehen lassen, einen gerechten
und ehrenhaften Frieden zu schließen. Ich versichere jedoch dem Lande und
dem Parlament in feierlicher Form, daß sich bis jetzt keine Gelegenheit zu
einem ernsthaften Frieden geboten hat. Hinsichtlich gewisser Friedens-
vorschläge mußte die alldeutsche Presse selbst zugestehen, daß es sich um
„Manöver“ handelte. Man wollte Frankreich und Italien, die der Feind
geschlagen und vernichtet wähnte, nicht Friedensmöglichkeiten, sondern nur
eine Kapitulation anbieten.
Schließlich nimmt die Kammer in namentlicher Abstimmung mit
282 gegen 34 Stimmen die von der Regierung gebilligte Tagesordnung
Aguglia: „Die Kammer billigt die Erklärungen der Regierung und geht
zur Abstimmung über die Budgetzwölftel über“, an. Die Vorlage über die
sechs Budgetzwölftel wird darauf angenommen. Auf Antrag Orlandos
vertagt sich die Kammer sodann auf unbestimmte Zeit.
WB. Juni. (Senat.) Wahlrecht der Kriegsteilnehmer, Budget-
prov., Vertagung.
Der Senat nimmt nach einer Rede des Ministerpräsidenten Orlando
das Gesetz, das sämtlichen ital. Kriegsteilnehmern das Wahlrecht gewährt
(s. S. 307) an, bewilligt sodann die prov. Budgetzwölftel bis 31. Dez. 1918
und vertagt sich wieder auf unbestimmte Zeit.
30. Juni. Abkommen mit dem tschecho-slawak. Nationalrat.
(S. S. 264.)
10. Juli. Abkommen mit dem Vatikan.
Die „Ag. Stef.“ meldet: Der ital. Staat und der Vatikan haben ein
Abkommen getroffen über den Austausch der Dokumente, die nach 1870
außerhalb des apostolischen Palasts geblieben sind und die kirchliche Ver-
waltung betreffen, gegen diejenigen Dokumente, die die öffentliche Verwaltung
betreffen und den Staat angehen und die in den Archiven des Vatikans
geblieben sind.
22. Juli. Verbot des soz. Parteitages.
Laut „Avanti" wurde der auf den 27.—30. Juli nach Rom einberufene
nationale Sozialistenkongreß von dem Präfekten von Rom verboten. —
Das Verbot wird von der Regierung damit begründet, daß eine Debatte
über die Haltung der soz. Partei dem Kriege gegenüber, die als wichtigster
Punkt auf der Tagesordnung steht, die Interessen Italiens gefährde und
daher nicht geduldet werden könne. Das Verbot verursacht unter den Soz.