314 Italien. (Sept. 16. 18.)
das Verhalten der Parteileitung, wenn diese auch aus Liebe zur Einigkeit
allzu nachgiebig auftrat, preist die Haltung des „Avanti“, der das
Aufkommen einer opportunistischen Richtung bekämpft hat, erklärt, daß
die Kammergruppe seit dem Kongreß vom Febr. 1917 nicht den Partei-
beschlüssen, die eine energischere Opposition gegen den Krieg und engeren
Kontakt mit den Massen forderten, entsprochen habe, zumal mit der letzten
Rede Turatis (s. S. 311 f.) und dem sich anschließenden Solidaritätsbeschluß
der Gruppe, und verlangt, daß die Kammergruppe in allen politischen
Kundgebungen sich der Parteileitung unterordne, die die Befugnis erhält,
das Verhalten der Gruppe auch bei unvorhergesehenen parlamentarischen
Zwischenfällen zu überwachen und Beschlüsse bis zur Ausstoßung zu fassen.
Dem neugewählten Parteivorstand gehören wieder Lazzari, Serrati,
Vella (diese drei befinden sich zurzeit im Gefängnis), Bombacci, Bacci und
neun andere Genossen an, während die früher dem Vorstande angehörenden
Zerbini, Prampolini und Parpagnoli ausgeschlossen wurden.
Der im Anschluß an den Parteikongreß tagende soz. Parteivorstand
beschließt eine Sympathiekundgebung für die russ. Revolution und einen
Protest gegen die Intervention der Verbandsmächte und lehnt eine Be-
teiligung an dem Londoner Sozialistenkongreß (s. S. 218 ff.) ab, weil an
diesem Scheinsozialisten und Kriegsanhänger wie Gompers und Vertreter
der „Unione Socialista Italiana“ teilnehmen sollen, während Anhänger
der Internationale wie die russ. Sozialisten und die amerik. „Socialist
Party“ ausgeschlossen werden.
Die nichtsozialistische ital. Presse sieht in diesem Kongreß das Bekennt-
nis, daß die ital. Soz. vom Vaterland nichts wissen will und sich durch
diese Haltung von selbst aus der Nation ausgeschieden hat.
16. Sept. Veränderungen im Ministerium.
Ein Erlaß des Statthalters verfügt die Angliederung des zuletzt
dem Kriegsministerium unterstellten Unterstaatssekretariats für Waffen und
Munition an das Transportministerium, das für die Folge den Titel:
Waffen= und Transportministerium erhält. An der Spitze des
Ressorts für Waffen und Munition steht ein Generalkommissar mit dem
Range eines Unterstaatssekretärs. Personalveränderungen sind nicht eingetreten.
18. Sept. Antwort auf die österr. Friedensnote.
Die „Ag. Stef.“ veröffentlicht folgende Note: Bis jetzt hat die ital.
Regierung von der österr. Friedensnote (s. S. 53 ff.) nur Kenntnis aus den
Veröffentlichungen der Telegraphenagenturen. Wenn indes der von dem
Wiener „K. K. Telegr.-Korr.-Bureau“ verbreitete Text genau ist, so muß
die ital. Regierung betonen, daß der österr. Vorschlag darauf abzielt, einen
Vorwand für Friedensverhandlungen zu schaffen ohne irgendwelche greifbare
Unterlage und ohne die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Erfolges. Die
neuerlichen Erklärungen der österr.-ung. und deutschen Staatsmänner, die
jedes Zugeständnis ausschließen und die Verträge von Brest-Litowsk und
Bukarest als endgültig bestätigen möchten, machen jede zweckdienliche Eröffnung
von Verhandlungen unmöglich. Die Entente und die Ver. Staaten ließen
ihre lebhafte Bereitwilligkeit zu einem gerechten Frieden offen erkennen und
gleichzeitig auch die wesentlichen Grundlagen, auf denen dieser Friede auf-
gebaut sein muß. Ueber diese Punkte sagt die österr. Note nicht ein Wort,
besonders auch darüber nicht, was sich auf die unmittelbaren ital. Ansprüche
bezieht. Diese sind der österr.-ung. Regierung wohl bekannt, ebenso wie sie
von den Alliierten anerkannt wurden. Sie schließen in sich ein die Er-
füllung der völkischen Einheit durch Freigabe jener ital. Volksstämme, die
bis jetzt unter Oesterreich standen, sowie die Verwirklichung der Bedingungen,