28 Die ökerreichis#g-ngarische Monarchie und die Uachfolgestaaten. April 16. —25.)
Der Minister des k. u. k. Hauses und des Aeußern Graf Czernin
unterbreitet dem Kaiser sein Entlassungsgesuch, das angenommen wird.
Wie der Vertreter der „Wiener Mittags zlg.“ an maßgebender Stelle erfährt,
sind drei Gründe für den Rücktritt Cz.s mangebend gewesen: 1. Die Haltung
Cz.s gegenüber den Polen ein der Cholmer Frage, s. S. 14 f.), 2. die
Stelle in seiner letzten Rede (s. o.] gegen die Tschechen und 3. die Auf-
rollung der Affäre Clemenceau. Diese Momente hatten Unstimmigkeiten
mit dem Kaiser ergeben, aus denen Cz. die Folgerung ge zogen habe.
Erst nach dem Zusammenbruch wird bekannt, daß die Sirtusbriefaffäre
(s. o.) tatsächlich die unmittelbare Veranlassung für Cz.s Rücktritt war. Er
fiel als Opfer der am Hofe Kaiser Karls allmächtigen Parmaklique, deren
unheilvollen Einfluß Cz. nach Kräften bekämpft hatte. Dabei darf freilich
nicht übersehen werden, daß Graf Cz., der von den österreichischerseits durch
Vermittlung des Prinzen Sixtus im Frühjahr 1917 unternommenen Friedens-
schritten Kenntnis hatte, wenn ihm auch der Kaiserbrief selbst unbekannt
war, mit seiner Anspielung auf jene Friedensfühler in seiner Rede vom
2. April einen schweren politischen Taktfehler beging, der Clemenceau un-
klugerweise reizte und Czes Stellung bei späteren Friedensmöglichkeiten
sehr erschweren mußte. (Authentische Berichte über die Vorgeschichte des
Nückriuss Cz. s geben A. Demblin, Czernin und die Sirtus-Affaire (München
1920), K. Fr. Nowak, Der Stutʒ der Mittelmächte (München 1921) S. 79ff.
und A. v. Cramon a. a. O. (s. S. 10) S. 151 ff.).
16. April. Baron Burian Außenminister.
Der gemeinsame Finanzminister Baron Stephan Burian v. Rajecz.
wird zum Minister des k. u. k. Hauses und des Aeußern ernannt. Wie
amtlich mitgeteilt wird, ist die Wahl „aus dem Grunde auf Baron Burian
gefallen, weil er, abgesehen davon, daß er das Vertrauen des Kaisers
besitzt, alle Antezedenzien im einzelnen kennt, deren gründliche Kennt-
nis im Zusammenhang mit den zur Verhandlung gelangenden inter-
nationalen Vereinbarungen außerordentlich wichtig ist“. Er behält auch
weiterhin die Führung des gem. Finanzministeriums bei. — Baron Burian,
bereits als Vorgänger des Grafen Czernin vom 13. Jan. 1915 bis 22. Dez.
1916 Außenminister, ist als ein überzeugter und treuer Anhänger des
deutsch-österr.--ung. Bündnisses und der ganzen Bündnispolitik bekannt. —
Am 17. erlassen die Präsidien des Tschech. und des Südstaw. Verbandes
gemeinsam eine Mißtrauenskundgebung gegen Baron Burian.
17. April. (Ungarn.) Regierungzkrise.
Ministerpräsident Dr. Wekerle überreicht dem König das Rücktritts-
gesuch des Gesamtministeriums, das dieser am 19. annimmt. Die Minister
werden jedoch mit der Fortführung der Geschäfte bis auf weiteres (s. S. 31)
beauftragt. Den Anlaß der Regierungskrise bildet die Wahlrechtsfrage. In
einer Konferenz der Regierungspartei erklärt Dr. Wekerle (am 19.):
die Regierung nicht die Möglichkeit hatte, das Abg.-Haus aufzulösen und
zu Neuwahlen zu schreiten, ohne diese Maßregel (gegen deren Durchführung
mit Rücksicht auf den Kriegszustand auch Regierungemitglieder Bedenken
hatten) aber der Gesetzentwurf über die Wahlreform (s. S. 21) nicht im
Abg.-Hause durchgeführt werden konnte (infolge des Widerstandes der Tisza-
partei), so war das Kabinett genötigt, zurückzutreten.
23. April. Wirtschaftsabkommen mit der Ukraine (s. Ukr.).
25. April. Dr. v. Seidler über den Kaiserbrief.
Gegenüber einer Abordnung der Verfassungepartei und der Mittel-
partei des österr. Herrenhauses, die aus Besorgnis, der Kaiserbrief