Italien. (Nov. 20.—27.) 321
Verräter oder Verleumder befänden, die aus der Kammer verschwinden
müßten. Während die verfassungsmäßige Zulässigkeit einer sofortigen Unter-
suchung erörtert wird, erscheint Giolitti und fordert binnen 24 Stunden
Genugtuung. Orlando widersetzt sich nicht. Nach weiteren Zwischenfällen
und halbstündiger Unterbrechung der Sitzung wird einstimmig ein Ausschuß
aus 7 Mitgliedern mit der Prüfung der Beweisstücke C.s beauftragt. Der
erste Befund lautet auf Unbegründbarkeit der Anschuldigung. Der gelbe
Umschlag mit den vermeintlichen Beweisen enthielte nur den Entwurf einer
Rede, die C. in der Kammer habe halten wollen. C. erwidert, er werde
weitere Beweise und Zeugen beibringen. Nach neuen stürmischen Auf-
tritten mit der Linken hebt der Präsident die Sitzung auf.
Am 26. bringt Schatzminister Nitti den Budgetvorschlag für
1919/20 ein und gibt dabei eine eingehende Darstellung der Finanzlage
Italiens. Er teilt mit, daß das Budget 1917/18 mit einem Minus von
6271 Mill. auf seiten der Einnahmen abschließen wird, das durch ordent-
liche Mittel des Schatzes gedeckt ist. Die Einnahmen werden 7496 Mill.,
d. h. 3782 Millionen mehr als der Voranschlag, erreichen. Das Plus setzt
sich zusammen aus 1140 Mill. Haupteinnahmen (Geschäftssteuer, indirekte
Konsumsteuern, Monopole, direkte Steuern, Posteinnahmen) und 2642 Mill.
Nebeneinnahmen. Die Einnahmen aus Kapitalbewegung, mit 599 Mill.
veranschlagt, steigen auf 12775 Mill., davon 12 397 Mill. durch inländische
und ausländische Anleihen. Zieht man davon 868 Mill. konvertierte Titel
ab, so bleibt als Nettoertrag der Anleihen 11 529 Mill., die Ausgaben, auf
3190 Mill. veranschlagt, sind auf 25 339 Mill. gestiegen. In dem Plus von
22 149 Mill. sind einbegriffen 18580 Mill. Kriegskosten und 1324 Mill. Kriegs-
unterstützungen und 175 Mill. Kriegspensionen. 208 Mill. entfallen auf
Flüchtlingsfürsorge, 320 Mill. auf Gehaltsaufbesserungen und Teuerungs-
zulagen. Die Ausgaben für Kapitalsbewegung erreichen 1263 Mill., d. h.
672 Mill. über den Voranschlag. Das Budget für 1918/19 weist bis 31. Okt.
1919 ein Minus von 3893 Mill. auf seiten der Einnahmen auf. Die effek-
tiven Einnahmen sind von 4419 Mill. auf 5540 Mill. gestiegen, das Plus
von 1121 Mill. verteilt sich auf Haupteinnahmen (800 Mill.) und Neben-
einnahmen. Die Einnahmen aus Kapitalbewegung steigen von 557 Mill.
auf 3739 Mill. Das Plus von 3182 Mill. entfällt fast ganz auf Anleihen.
Die Ausgaben stiegen über den Voranschlag von 4207 Mill. auf 12 664 Mill.
Das Plus von 8457 Mill. entfällt zu 5408 Mill. auf Kriegskosten, zu
800 Mill. auf Kriegsunterstützung, 360 Mill. auf Flüchtlingsfürsorge usw.
Die Mehrkosten der Gehaltsaufbesserungen und Teuerungszulagen betragen
rund 700 Mill. Die Ausgaben der Kapitalbewegung steigen von 481 auf
509 Mill., das Plus besteht aus zum größten Teil (20 Mill.) Darlehen an
kriegsbeschädigte Gemeinden. Der Voranschlag für 1919/20 sieht ein Minus
von 560 Mill. auf seiten der Einnahmen voraus. Die effektiven Einnahmen
werden auf 4855 Mill. geschätzt, d. h. um 436 Mill. mehr, als der Vor-
anschlag für 1918/19 vorsah. (4419 Mill.) Die Einnahmen aus Kapital-
bewegung werden von 557 Mill. um 162 auf 719 Mill. steigen. Die effek-
tiven Ausgaben steigen von 4207 Mill. auf 5515 Mill. Das Plus von
1308 Mill. wird durch vermehrten Zinsendienst der Anleihen und Kriegs-
pensionen verursacht. Die Mehrkosten für Gehaltsaufbesserungen und Teue-
rungszulagen werden 700 Mill. betragen, davon 184 Millionen für Eisen-
bahner. Die Ausgaben aus Kapitalbewegung steigen von 480 Mill. um
139 auf 619 Mill. Von Nov. 1917 bis 31. Okt. 18 stiegen die Zahlungen
für außerordentliche Ausgaben auf 22140 Mill. Diese Summe wurde zu
15 360 Mill. mit außerordentlichen Einnahmen, zu 6780 Mill. mit Schatz-
mitteln gedeckt. Die Zahlungen für Kriegskosten übersteigen damit 30 Milli-
Europäischer Geschichtskalender. LIX1# 21