Belgien. (Sept. 19.) 351
gierung zu veranlassen, bei den Regierungen Frankreichs und Englands
einen Versuch zu machen, um von diesen Mächten eine Erklärung über die
Stellung zu erhalten, die sie bezüglich der Friedensfrage einnehmen würden,
falls die belg. Frage zur Zufriedenheit Belgiens gelöst würde.“
Die auf diese Weise hergestellte Fühlungnahme wurde durch die Rede
des Grafen Hertling v. 11. Juli 1918 (s. Tl. 1 S. 240), worin er seine Theorie
des Faustpfandes auf die Angaben des Generalstabs hin entwickelte, unter-
brochen. Am 10. Aug. ließ die belg. Regierung dem Grafen Törring fol-
gende Note überreichen: „Die Reden des Reichskanzlers v. 11. und 12. Juli
haben es nicht erlaubt, der am 30. Juni gestellten Frage Folge zu geben.
Der Reichskanzler hat bezüglich Belgiens eine Theorie entwickelt, die wir
nicht annehmen können, die bei den Alliierten und bei den Neutralen ein-
hellige Verurteilung gefunden hat und die selbst in gewissen Kreisen der
öffentlichen Meinung in Deutschland zur Kritik Anlaß gab. Die Theorie
des Faustpfandes und der Garantien steht im vollkommenen Widerspruch
mit dem Programm Belgiens, wie es mit der belg. Antwort an den Papst
festgelegt wurde. Solange diese Theorie aufrechterhalten wird, können wir
nichts tun.“
Obwohl alle Bemühungen des Grafen Törring, von der deutschen Re-
gierung ein klares Programm in der belg. Frage zu erhalten, erfolglos
blieben, ließ sich dieser nicht entmutigen. Erst am 14. Aug. nach der ent-
scheidenden Konferenz in Spa (s. Tl. 1 S. 251 f.), in der die Reichsregierung
aufgefordert wurde, eine unmittelbare Aktion in Richtung auf den Friedens-
schluß zu unternehmen, gelang es dem Grafen, die Zustimmung des Staats-
sekretärs v. Hintze zu dem ihm in Spa unterbreiteten Programm zu erlangen.
Dieses Programm, das am 23. Aug. dem belg. Gesandten in Bern
übergeben wurde, hatte folgenden Wortlaut: „Ich beeile mich, Ew. Exz.
davon zu unterrichten, daß ich dem Grafen Hertling die Mitteilungen der
belg. Regierung v. 30. Juni und v. 10. Aug. übermittelt habe. Mittlerweile
habe ich zu verschiedenen Malen mit den zuständigen Stellen über die belg.
Frage verhandelt, besonders mit dem Reichskanzler Grafen Hertling und
dem Staatssekretär v. Hintze, und ich bin in der Lage, Ihnen heute das Er-
gebnis dieser Unterhaltungen mitzuteilen, damit Sie es der belg. Regierung
übermitteln. Deutschland achtet und anerkennt den von der belg. Regierung
zu Beginn des Krieges aufgestellten und bei verschiedenen Gelegenheiten
wiederholten Grundsatz, daß die Souveränität Belgiens gesichert und auf-
rechterhalten werden soll. Deutschland hat nicht die Absicht, Belgien Vor-
schläge zu machen, die geeignet wären, die Ehre der belg. Nation und die
der in zahlreichen Kämpfen erprobten belg. Armee zu verletzen. Die deutsche
Regierung hat wiederholt erklärt, daß sie bereit sei, Belgien in seiner voll-
ständigen Unabhängigkeit wieder herzustellen; da diese Erklärungen nicht als
erschöpfend betrachtet wurden, fühlt sie sich verpflichtet, sie zu ergänzen und
zu erweitern: Nach dem Kriege wird Deutschland Belgien in seinen früheren
Zustand wiederherstellen. Es wird keinerlei Anspruch erheben auf belg. Ge-
biet, sei es auf dem europäischen Festland oder in den belg. Besitzungen in
Afrika. Belgien wird seine vollständige politische und wirtschaftliche Un-
abhängigkeit wieder erhalten. Deutschland erklärt sich damit einverstanden,
wenn Belgien wieder eine neutrale Macht wird. Es wird im übrigen der
belg. Regierung die Wahl lassen, zu entscheiden, ob die internationalen Be-
ziehungen Belgiens in Zukunft auf den bisherigen Grundsätzen beruhen
sollen oder ob Belgien sich volle Handlungsfreiheit sichern will. Deutsch-
land wünscht, daß eine Lösung gefunden werde, die eine Wiederaufnahme
der freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Belgien er-
möglicht, wie sie vor dem Kriege bestanden haben, und diese, wenn mög-