32 Die österreichisch-angarische Msnarchie und die Nachsolgella#eu. Mai 10.—15.)
wolle durch unbedingte Erledigung der Wahlreform endlich die seit Jahren
anhaltende innervolitische Unstimmigkeit beseitigen und sodann sich aus-
schließlich der Losung sozialer und wirtschaftlicher Fragen widmen. Bei der
Verständigung über die Wahlrechtsfrage solle von den wesentlichen Grund-
prinzipien nichts aufgegeben werden. — Graf Tis za begrüßt die Absicht
der neuen Regierung, das Wahlrecht durch Verständigung zur Erledigung
zu führen. Die Arbeitspartei sage, wenn sie auch in vielen Punkten mit
der Vorlage, auch nach den vorzunehmenden Abänderungen, nicht ein-
verstanden ist, ihre volle Unterstützung zu. — Graf Michael Karolyi er-
klärt sich gegen die Abänderung der Wahlvorlage und kündigt eine energische
Agitation gegen die in Aussicht genommene Abschwächung an. — Graf
Albert Apponyi befürchtet, daß der veränderte Standpunkt der Regierung
in der Frage des Wahlrechtes der Karl-Rreuz Besitzer in weiten Schichten
der Bevölkerung große Erbitterung hervorrufen werde. Da die Regierung
hiermit von dem Wesen der Wahlreformvorlage bedeutend abgewichen sei,
könne er sie nicht unterstützen.
10. Mai. (Tirol.) Gründung eines Deutschen Volksrates in
Sterzing zur Vertretung deutsch-völkischer Forderungen.
Am gleichen Tage findet auch in Loeben (Steiermark) ein Deutscher
Volkstag statt, der gegen die Gründung eines südslawischen Reiches
Stellung nimmt.
12. Mai. Besuch Kaiser Karls im deutschen Gr. Hauptquartier
(s. Tl. 1 S. 176 ff.).
Die als Ergebnis dieses Besuches veröffentlichte offizielle Mitteilung
über die Erneuerung und die Vertiefung des Bündnisses mit dem
Deutschen Reich (s. ebenda) ruft in deutsch. Abg.-Kreisen lebhafte Befriedi-
gung hervor, während die Tschechen und Slawen sofort ankündigen, daß sie
diese Pläne im Abg.-Haus und in den Delegationen aufs schärfste be-
kämpfen werden. In poln. parlament. Kreisen erhofft man nunmehr eine
raschere Lösung der poln. Frage nach dem Wunsche der österr. Polen.
15. Mai. (Ung. Abg.-Haus.) Wekerle über das neue Bündnis.
Graf Michael Karolyi interpelliert wegen der Erneuerung des
Bündnisvertrages mit Deutschland (s.o.). Er ersucht den Ministerpräsidenten,
die beruhigende Erklärung abzugeben, daß die Vereinbarungen vorher dem
Abg.-Hause unterbreitet würden, und neunt Mitteleuropa ein großes Hinder-
nis für die Wiederherstellung des Friedens.
Ministerpräsident Dr. Wekerle führt in Beantwortung der Inter-
pellation aus: Bezüglich der Frage des Interpellanten kann ich kurz auf
das offizielle Kommuniqué verweisen, welches nach der Zusammenkunft
v. 12. Mai (s. Tl. 1 S. 177 f.) zur Informierung der Oeffentlichkeit veröffent-
licht wurde. (Abg. Lowaszy (Karolyi--Partei): In dem ist nichts enhalten
Es kann auch nicht mehr darin enthalten sein als war. Tatsache ist, da
anläßlich des Besuches Sr. Maj. Besprechungen über Deutschland, Oester-
reich und Ungarn gemeinsam interessierende Fragen stattfanden und diese
Besprechungen führten zu dem Entschlusse, das zwischen uns bestehende
Bundesverhältnis zu verlängern, und zwar auf längere Zeit und zu ver-
tiefen. Die Herrscher gelangten zu dem Entschluß und einigten sich dar-
über, daß sie ihre Regierungen anweisen werden, in dieser Beziehung die
Verhandlungen aufzunehmen und in korrekter Form Vereinbarungen zu
treffen. Ueber diese Vereinbarungen hinaus ist keinerlei Vertrag bisher
zustande gekommen, wohl aber werden die Verhandlungen demnächst ein-