Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

356 Selzien. (Dez. 12. 15.) 
einstimmung nicht nur mit den verbündeten Ländern, sondern auch mit den 
Neutrcklen zu regeln. Die Armee muß unter den Waffen bleiben, so lange 
der Friede noch nicht geschlossen ist, doch werden die einzelnen Jahresklassen 
Urlaub erhalten. Es wird die Sorge der' Regierung sein, alle diese Re- 
formen in weitherziger Gesinnung auszuführen; sie hat den Willen, dem 
belg. Volke einen reichlichen Anteil an der Leitung des Landes zu geben. 
Es wird für alle Arbeit geben, aber alle müssen auch mitarbeiten bei dem 
großen Werk des Wiederaufbaues des Landes, auf das die Augen der ganzen 
Welt gerichtet sind. 
12. Dez. (Kammer.) Die Antwort auf die Thronrede wird 
nach kurzer Verhandlung angenommen. 
Am 18. nimmt der Senat die Adresse einstimmig an. Dabei erklärt 
der Sozialist Lekeu, er habe schon im Ausschuß die Stelle beanstandet, 
die das Großherzogtum Luxemburg für Belgien fordert. Der Anstoß müßte 
in dieser Angelegenheit von den Luxemburgern selbst ausgehen. 
Am 19. wird die Adresse dem König durch eine Abordnung der 
Kammern und des Senats überreicht. In der Adresse wird bekanntgegeben, 
daß die Regierung in Uebereinstimmung mit der Volksvertretung die Ein- 
führung verschiedener Reformen vorbereitet. Der wichtigste Punkt bezieht 
sich auf die Abänderung der Verfassung hinsichtlich des Sprachenparagraphen, 
durch den die Gegensätze zwischen Flamen und Wallonen beseitigt werden 
sollen, sowie auch die Ausdehnung des Wahlrechts in der Weise, daß die 
Altersgrenze für das Wahlrecht auf das 21. Jahr herabgesetzt wird. 
15. Dez. Belg.--holländ. Zwist wegen des Durchzugs deutscher 
Truppen durch Limburg. 
Der Minister des Ausw. Hymans stellt der Presse eine Note zu, die 
eine Antwort auf die Darlegung der niederländ. Regierung bezüglich des 
Durchzugs deutscher Truppen durch Limburg (s. S. 376 f.) bildet. Es wird 
darin bemerkt: 1. In rechtlicher Hinsicht bildet der Waffenstillstand weiter 
nichts als eine Einstellung der Feindseligkeiten, die eine Wiederaufnahme 
nicht ausschließt. 2. Am 12. Nov. gewährte die niederländ. Regierung den 
Durchzug, ohne vorherige Verhandlung mit den Verbündeten oder deren 
Zustimmung. An demselben Tage erklärte sie in einer Note an den belg. 
Gesandten, sie könne die internierten Belgier nicht ohne vorherige Zustimmung 
Deutschlands freilassen. 3. Laut Art. 11 des Haager Abkommens von 1907 
mußte die niederländische Regierung die auf ihr Gebiet übergetretenen 
Deutschen internieren. Sie berief sich auf denselben Artikel, um die Belgier 
nicht freizugeben. Die niederländ. Regierung hat seit dem Durchzug stets 
erklärt, daß sie alles mögliche im Interesse Belgiens tue, allein vom mili- 
tärischen Standpunkt ist nicht zu bestreiten, daß die den Deutschen zuge- 
standene Gunst ihnen gestattete, viel Kriegsgerät in Sicherheit zu bringen. 
Die Zahl der deutschen Mannschaften betrug zwischen 70- und 120000. 
Der belg. Generalstab verfügt über Angaben, wonach für das Vierte Heer 
der Durchzug durch Limburg gleichzeitig mit dem Uebergang über die 
Maas auf belgischem Gebiet stattfand, so daß die Vermutung besteht, daß 
der deutsche Generalstab von vornherein auf die Zustimmung der Nieder- 
lande rechnete. Man darf nicht vergessen, daß in Beverloo große Vorräte 
an Lebensmitteln und in Tongern viele Maschinengewehre aufgestapelt 
waren, und daß das Vierte Heer von der Küste aus gestaffelt war. Es 
liegt daher auf der Hand, daß den Deutschen ein erheblicher Dienst er- 
wiesen wurde, indem dieses Heer nicht gezwungen wurde, über die See 
zurückzugehen, um den Rückzugsweg nicht zu überfüllen. Wäre der Durch-
	        
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