MNiederlande. (März 18.—20.) 363
völkerrechtlich befugt sein könne, neutrale Schiffe zu zwingen, ausschließliche
Dienste im Interesse dieses Kriegführenden zu verrichten. Das Völkerrecht
erkennt eine solche Befugnis nur in solchen Ausnahmefällen an, wo es sich
um die Erreichung eines unmittelbaren und durchaus notwendigen stra-
tegischen Zieles handelt. Die holl. Regierung ließ die Alliierten nach reif-
licher Ueberlegung wissen, daß sie aus politischen und wirtschaftlichen Gründen.
ernste Bedenken gegen die von ihnen gestellten Forderungen habe, sich jedoch
eine endgültige Antwort vorbehalte. In Anbetracht der Getreidenot, die
das Land im kommenden Sommer bedroht, und der Wahrscheinlichkeit des
Abschneidens aller überseeischen Zufuhr bei einer Weigerung hat die holl.
Regierung es für ihre Pflicht gehalten, sich vorher zu vergewissern, ob es
dieses Getreide aus Mitteleuropa erhalten könnte. Sie hat sich an Deutsch-
land gewandt, ob dieses ihm innerhalb zweier Monate etwa 100000 To.
Getreide überlassen könnte. Die Antwort hat verneinend gelautet. Deutsch-
land bedauere, Holland nicht helfen zu können, da es die eigenen Volks-
enossen zu versorgen habe. Selbst über eine spätere Hilfe durch kleine
Mengen könne Deutschland keine feste Bestimmung treffen. Unter diesen Um-
ständen sah sich die Regierung gezwungen, die Bedingungen der Entente
anzunehmen, um dem holl. Volke die 100000 To. Getreide zu sichern. Sie
machte jedoch ihre Zustimmung von folgenden Bedingungen abhängig: Erstens
muß feststehen, daß Holland auf eine Verteilung des holl. Schiffsraums
sowie auf die Versorgung des Landes mit Getreide nach dem in der „Lon-
doner Abmachung“ angegebenen Maßstab rechnen kann. Zweitens muß fesl-
stehen, daß genügend Bunkerkohle geliefert wird, um die für Holland
rationierten Güter zu überführen. Ferner sollen die Alliierten hinsichtlich
der Fahrt der holl. Schiffe durch die Gefahrzone garantieren, daß 1. die
Schiffe keine Truppen oder Kriegsmaterial fahren, 2. daß sie nicht bewaffnet
werden, 3. daß der Bemannung freibleiben soll, ob sie an der Fahrt in die
Gefahrzone teilnehmen will oder nicht, 4. daß versenkte Schiffe sofort nach
dem Krieg durch andere ersetzt werden. Die holl. Regierung fühlt sich zu
ihrem Standpunkte gezwungen, um einen möglichst großen Teil ihrer Flotte
zu retten, die für die Gegenwart und Zukunft des holl. Volkes von so über-
ragender Bedeutung ist. Weiter kann und darf die Regierung nicht gehen.
Am 19. findet, nachdem Minister Loudon noch einmal die Entwicklung
der Angelegenheit dargelegt und die Haltung der Regierung begründet hat,
eine sehr erregte Aussprache statt, in der die Nachgiebigkeit der Regierun
scharf kritisiert und ihr insbesondere auch zum Vorwurf gemacht wird, daß
sie keine Fühlung mit der Kammer gesucht habe, ehe sie ihre schwerwiegende
Entscheidung getroffen habe. Auch die Anmaßung der Entente wird in den
schärfsten Ausdrücken gebrandmarkt. Nicht ein einziges Kammermitglied tritt
auf die Seite des Ministers, wenn auch mehrere zu der resignierten Schluß-
folgerung kommen: Obwohl die Dinge schlecht stehen, dürfen wir die Re-
gierung nicht im Stiche lassen.
Am 20. führt Minister Loudon in Erwiderung der Angriffe seitens
des Hauses u. a. aus: Die Ausbrüche der Entrüstung und des Zornes
haben mich als Niederländer mit Genugtuung und mit Stolz erfüllt. Auch
ich widersetze mich als Holländer der Willkür und dem Zwange, der uns
von Kriegführenden auferlegt wird. Die Aeußerung der Volksstimmung hat
mir den Rücken gestärkt. Nichts wäre bequemer gewesen, als unter ungestümer
Zustimmune der Generalstaaten eine stolze Haltung einzunehmen und die
orderungen der Assoziierten abzulehnen. Die Regierung muß aber weiter-
sehen, weiter auch als die am klarsten blickenden Volksvertreter. Ich glaube
auch jetzt das Vertrauen des Volkes nicht verloren zu haben. Die Regierung
hatte anfänglich in der Tat die Absicht, die Forderungen abzuweisen, ist