Bie stterreichisch-ungarische Menarchie und die Anchfeolzestaaten. (Mai 16.—19.) 33
geleitet werden und ich glaube, es wird nur der allgemeinen Zustimmung
der großen öffentlichen Meinung Ungarns begegnen, daß das unseren Inter-
essen so sehr entsprechende und in der letzten Zeit eben im Interesse Un-
garns so sehr bewährte Bundesverhältnis verlängert und vertieft werde
(Rufe auf der äußersten Linken: Was ist das, Vertiefung?). Ich werde so-
fort darauf zu sprechen kommen. Es wird also zunächst das Bundes-
verhältnis erneuert. Es ist sehr natürlich, daß sich dies auch auf einzelne
solcher Fragen erstrecken wird, welche mit dem Bundesverhältnis in un-
mittelbarem Zusammenhange stehen. Es wurde der militärischen Frage Er-
wähnung getan. Nun denn, wir können das doch nicht eine Militär-
konvention nennen, aber es ist natürlich, daß auch gewisse militärische
Vereinbarungen zustandekommen werden. (Lärm auf der äußersten Linken.
— Abg. Graf Michael Karolyi: Während des Krieges?) Auch im Kriege
kann es Vereinbarungen geben, welche sich auf das gleiche Vorgehen, die
Rüstungen, beziehen, welche aber in keinerlei Zusammenhang mit der
Organisation des Heeres oder mit irgendetwas derartigem stehen. Der
Herr Abg. möge überzeugt sein, daß wir unser selbständiges Verfügungs-
recht in jeder Beziehung aufrecht erhalten werden. Was die wirtschaftliche
Annäherung betrifft, so kann sich der Herr Abg. das nur so vorstellen,
daß er immer nur von Mitteleuropa spricht. Nun denn, Mitteleuropa, das
ist ein sehr weiter Begriff. Daß eine wirtschaftliche Annäherung oder die
engere Knüpfung der wirtschaftlichen Beziehungen wünschenswert und auch
möglich ist, das leugnet wohl niemand, aber, ich wiederhole, ohne daß
unser selbständiges Entschließungsrecht in welcher Beziehung immer berührt
würde. (Zwischenrufe auf der äußersten Linken: Phrase! Das ist so un-
möglich!) Im übrigen möge der Herr Abg. überzeugt sein, daß wir in
bezug auf diese wirtschaftlichen Fragen das Haus nicht vor ein fait accompli
stellen werden, sondern daß die Geltung der Vereinbarung von der Ent-
schließung des Hauses abhängen wird. Unser gemeinsames Bündnis wird
in keiner Weise ein Hindernis dafür sein, daß wir mit anderen Völkern
auch auf wirtschaftlichem Gebiet in Berührung treten, ja auch kein Hindernis
dafür, daß wir uns einem sogenannten Völkerbund anschließen. Der Grund
hierfür liegt darin, das wir ein reines Verteidigungsbündnis und ein auf
die Sicherung des Friedens gerichtetes Bündnis schaffen. (Beifall rechts
und im Zentrum.) — Die Antwort des Ministerpräsidenten wird mit
großer Mehrheit zur Kenntnis genommen.
16. Mai. Abreise des Kaiserpaares nach Sofia und Konstantinopel.
(S. Bulg. und Türkei.)
18. Mai. (Böhmen.) Verwarnung der Tschechen.
Amtlich wird in Prag verlautbart, daß Vorfälle staatsfeindlichen, hoch-
verräterischen Charakters, die sich während der dreitägigen Feier des 50jährigen
Bestandsjubiläums des tschech. Nationaltheaters abspielten, die Behörden
zu entsprechenden Gegenmaßnahmen veranlaßt haben. Jede weitere Duldung
sei auch mit Rücksicht auf den Ernst der Zeit ausgeschlossen. Ansammlungen
und Aufzüge würden von nun an ohne weiteres rücksichtslos und, wenn
nötig, mit Gewalt zerstreut werden.
19. Mai. (Böhmen.) Errichtung von Kreishauptmannschaften.
Das „Reichsgesetzblatt“ veröffentlicht die angekündigte (s. S. 30), mit
Rücksicht auf die Tschechen jedoch nur durch das Ministerium des Innern
verfügte Verordnung betr. die Uebertragung von Statthaltereigeschäften an
bleibend zu bestellende Kreishauptmänner in Böhmen. Es sollen zwölf
„Kreise" (7 tschech., 4 deutsche [Eger, Leitmeritz, Reichenberg, Trautenaul,
Europäischer Geschichtskalender. LIX.# 3