Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

370 Niederlande. (Juni 8.— Juli 3.) 
zu den für den Austausch von Kriegsgefangenen und Internierten bestimmten 
Schiffen, für die auf bestimmten Kurslinien freie Fahrt im Sperrgebiet 
zugesichert ist. Bei dem Unfall befanden sich keine Austauschpersonen an 
Bord. Von deutscher Seite wird amtlich festgestellt, daß auf der zugesicherten 
freien Fahrstraße keine Minen gelegt worden sind. Ebenso wird die von 
mehreren Leuten der Besatzung und einem Teil der holländ. Presse auf- 
gestellte Behauptung, daß ein deutsches U-Boot an dem Verlust des Dampfers 
schuld sei, deutscherseits amtlich zurückgewiesen. (S. auch 7. Aug.) 
8. Juni. (Haag.) Beginn der deutsch-engl. Kriegsgefangenen- 
konferenz. 
13. Juni. (Erste Kammer.) Die Gesetzesvorlage betr. Ab- 
schließung und teilweise Trockenlegung der Zuidersee wird angenommen. 
20. Juni. Rücktritt des Marineministers. 
Marineminister Rambonnet reicht sein Entlassungsgesuch ein, das 
von der Königin genehmigt wird. Kriegsminister Jonkheer de Jonge wird 
mit der interimistischen Verwaltung des Marineministeriums betraut. Wie 
der Ministerpräsident Cort van der Linden auf Anfrage eines Abg. mit- 
teilt, hatte der Ministerrat (am 19.) beschlossen, die Ausfahrt des Re- 
gierungskonvois nach Indien (über die seit längerer Zeit mit Eng- 
land verhandelt wurde) zu verschieben, weil die engl. Regierung wegen 
eines kleinen Teiles der Ladung des Dampfers „Noordam“" (es handelte 
sich um deutsche Farbstoffe) Schwierigkeiten machte. Da der Marineminister 
gefunden habe, daß der Beschluß des Ministerrats sich mit seiner Ver- 
antwortlichkeit nicht vereinbaren lasse und der Ansicht gewesen sei, daß der 
Konvoi trotz der Schwierigkeiten ausfahren müsse, habe er der Königin seine 
Entlassung angeboten. (Eine amtliche Erklärung der niederl. Regierung über 
die Geleitzugsangelegenheit s. in der „Nordd. Allg. Ztg.“ 1918 Nr. 330.) — 
Die Ausfahrt des Geleitzuges findet erst statt, nachdem die Farbstoffe aus 
dem Schiffe gelöscht sind. 
3, Juli. Wahlen zur Zweiten Kammer, Rücktritt des Kabinetts. 
Es werden gewählt: Röm.-Kathol. P. 30 (bisher 25), Antirevolutionäre 
P. 13 (11), Christl.-Histor. P. 7 (9), Lib. Union 6 (21), Freilib. 4 (10), Frei- 
sinn. Demokr. 5 (8), Soz. Arbeiterpartei 22 (15), Oekonom.-Bund (antideutsch) 3, 
(revolut.) Soz. P. 2, Soziale P. 1, Christl.-Demokr. 1, Christl.-Soziale 1, 
Christl.-Sozialisten 1, Mittelstandsp. 1, Bauernbund 1, Neutrale P. 1, Bund 
für demokr. Wehrmacht 1. Die drei rechtsstehenden Parteien erhalten somit 
50 (bish. 45), die vier linksstehenden Parteien 37 (54) Sitze. Damit ist eine 
kons. Mehrheit gesichert. Das Ergebnis bedeutet also eine schwere Niederlage 
der bisher herrschenden lib. Parteien und bekundet den festen Willen des 
Landes, an der unbedingten Neutralität festzuhalten. Die Wahlen fanden. 
zum ersten Male auf Grund der neuen Verfassung (s. Gesch. Kal. 1917 Tl. 1 
S. 593) nach dem Verhältniswahlsystem mit passivem Wahlrecht der Frauen 
statt. Unter den Abg. befindet sich 1 Frau (Soz. Arb.). 
Das (aus Vertretern der verschiedenen lib. Parteien bestehende) Kabinett 
Cort van der Linden (seit 1913) reicht, ohne das Ergebnis der Wahlen 
abzuwarten, sein Entlassungsgesuch ein, da durch die allgemeinen Wahlen 
der Zeitraum für das Auftreten eines außerparlament. Kabinetts abgelaufen 
sei. Die Königin nimmt das Entlassungsgesuch zur Kenntnis und beauftragt 
die Minister, einstweilen die laufenden Geschäfte efortzuführen. Die Re- 
gierungsfrage wird erst am 9. Sept. (s. dort) gelöst.
	        
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