36 Die österreichisch-ungarische Menarchie und die Nachsolgestaaten. Juni 10.—17.)
kommandos die Hauptverhandlung gegen eine Anzahl Angehöriger des
aufgelösten poln. Hilfskorps. Die Vorgänge, welche die Veranlassung bilden,
sind, wie das Wiener „k. k. Korr.-Bur.“ mitteilt, folgende: Der größte Teil
des im Bereiche der Ostfront disloziert gewesenen voln. Oilfskorps ist am
15. Febr., acht Uhr abends, nach Zerstörung von Eisenbahn-, Telegraphen-
und Telephonlinien in Sniatyn, Czernowitz, Luzan und Kotzman aus den
Kantonierungsstationen westlich von Czernowitz eigenmächtig nach Osten
abmarschiert, mit der offenbaren Absicht, sich über unsere Linien nach der
Ukraine durchzuschlagen. Dank geeigneter Maßnahmen unserer Truppen
ist es gelungen, trotz versuchter Gegenwehr des poln. Oilfskorps den größten
Teil desselben am Abmarsch zu verhindern. Zirka 120 Offiziere und
3500 Mann des Hilfskorps wurden entwaffnet und nach HLuszt überführt,
wo die gerichtlichen Erhebungen mit aller Beschleunigung eingeleitet wurden.
Auf Grund dieser Erhebungen wird Anklage gegen 91 Offiziere und
84 Mann erhoben, die sich vor dem Kriegsgericht zu verantworten haben
werden. Zirka 100 Angehörige des Hilfskorps werden als Zeugen ver-
nommen. Die übrigen Angehörigen des Oilfskorps werden, soweit sie
österr.ung. Staatsangehörige sind, einer Musterung unter#zogen. Die Nicht-
wehrpflichtigen und die zum Landsturmdienste Nichtgeeigneten werden ent-
sprechend ihrem Musterungsbefunde ihrer Dienstpflicht in der k. u. k. Armee
zugeführt. (S. ferner 27. Sept.)
10. Juni. (Ungarn.) VIII. ung. Kriegsanleihe.
Der Finanzminister veröffentlicht die Einladung zur Zeichnung auf
die 51# prozentige steuerfreie Staatsrentenanleihe Kriegsanleihe), welche
vom 12. Juni bis einschließlich 11. Juli 1918 (später bis zum 24. ver-
längert) zur Zeichnung aufgelegt wird. Der Emissionskurs beträgt vom
12. bis 27. Juni 91,50, vom 27. Juni bis 11. Juli 91,70 Proz. Eine
Kündigung kann vor dem 1. Sept. 1925 nicht erfolgen. — Das Ergebnis
beträgt 3860 Mill. Kr. (Der höchste bisher erreichte Betrag.)
11.—12. Juni. Graf Burian in Berlin. (S. Tl. 1 S. 192f.)
11. Juni. Ministerwechsel.
Kaiser Karl bewilligt dem Minister des Innern Grafen v. Toggenburg
die erbetene Enthebung vom Amte und ernennt den Präsidenten des Amtes
für Volksernährung Paul unter Betrauung mit der Leitung dieses Amtes
zum Minister und den Präsidenten der Polizeidirektion in Wien Ritter
v. Gayer zum Minister des Innern. Wie der „Nordd. Allg. Ztg.“ aus
Wien gemeldet wird, steht der Rücktritt des Innenministers mit einer
Meinungsverschiedenheit, die zwischen T. und einzelnen deutsch-nationalen
Parteigruppen herrschte, sowie auch mit den Gegensätzen, die zwischen dem
Statthalter Tirols und dem deutsch-nationalen Bozener Bürgermeister
entstanden waren, in Zusammenhang. Nach anderen Meldungen ist der
Rücktritt durch die Krakauer Beschlüsse der parlament. Kommission des
Polenklubs (am 9. und 10.) veranlaßt, die sich in überaus scharfer Form
gegen die Regierung Seidler, die ihre Versprechungen gegenüber den Polen
nicht gehalten habe, aussprachen. Durch diese Krakauer Beschlüsse sind die
Versuche der Regierung, zur Wiederaufnahme der Parlamentsverhandlungen
eine aus Polen und Deutschen bestehende Mehrheit zu bilden, von der die
Bewilligung der Staatsnotwendigkeiten zu erwarten wäre, gescheitert. Graf
T. hat sich aber als entschiedener Gegner des infolge dieser Beschlüsse in
Aussicht stehenden Exlexzustandes erklärt.
17. Juni. (Wien.) Verkürzung der Brotration.