Finnland. (Sept. 26.—Okt. 8.) 401
Ignatius, der zurzeit in Helsingfors weilt, teilte mit, daß Amerika Finn-
lands Selbständigkeit nicht anerkennt und auch kein Getreide liefert, solange-
deutsches Militär in Finnland steht.
26. Sept. Eröffnung der ao. Landtagstagung.
Am 27. nimmt der Landtag die Neuwahl des Präsidiums vor.
Der bish. Präsident Lundson und der zweite Vizepräsident Alkio, beide Re-
publikaner, scheiden aus. Gewählt werden Prof. Ingmann (Altfinne) zum
Präsidenten, Ahmavaara (Jungfinne) zum Vizepräsidenten, Schybergson
(Schwede) zum zweiten Vizepräsidenten.
Im Hinblick auf einen Beschluß der jungfinn. Landtagsfraktion, daß
die Einbringung eines neuen freisinnigeren Verfassungsentwurfes vor
Vornahme der Königswahl wünschenswert sei, legt die Regierung am 28.
dem Landtage einen neuen Verfassungsentwurf vor, der u. a. die Bestimmung
der früheren Vorlage, wonach das Mündigkeitsalter der Prinzen mit 18
Jahren eintritt, und das Verbot von Verfassungsänderungen während eines
Interregnums beseitigt. Dem Rechte der Krone, Einnahmen und Ausgaben
persönlich zu bestreiten, wenn der Staatshaushalt nicht vor Beginn des
Rechnungsjahres vom Landtage festgestellt ist, werden enge Grenzen gezogen.
Dagegen bleibt das in dem ursprünglichen Entwurfe vorgesehene absolute
Vetorecht der Krone in Verfassungsfragen, Fragen der Landesverteidigung
und Fragen der Thronfolgeordnung unverändert. Dem schwed. Volkselemente
wird dadurch entgegengekommen, daß die Sprachenparagraphen in ihrer
ersten, für die Schweden günstigeren Fassung wiederhergestellt worden sind.
Durch diese Vorlage, die in mehreren Punkten ein Entgegenkommen gegen
die Wünsche der Republikaner enthält, hofft die Regierung die Zustimmung
der republ. Mitglieder der jungfinn. Partei zur Königswahl zu gewinnen.
Der Parteitag der Agrarier hat (am 26.) jede Verhandlung mit den Mon-
archisten über ein Verfassungskompromiß auf monarchistischer Grundlage
abgelehnt.
8. Okt. (Landtag.) Scheitern des Verfassungsentwurfes.
Auf der Tagesordnung steht die dritte Lesung des neuen Ver-
fassungsentwurfes, der vom Grundgesetzausschuß noch weiter in demokra-
tischer Richtung abgeändert wurde, indem das Vetorecht der Krone in der
Frage der Landesverteidigung beseitigt und in Verfassungsfragen auf Fragen
der eigentlichen Regierungsform beschränkt wurde. Der Regierungschef Paa-
sikivi eröffnet die Aussprache mit der Mitteilung, daß die Königswahl
unter allen Umständen stattfinden werde, sei es auf Grund der neuen oder
der alten Verfassung. Die Regierung und die Landtagsmehrheit sei bis an
die äußerste Grenze des Entgegenkommens gegangen. Er hoffe bis zum
letzten, daß die Agrarier loyal sein und für die Dringlichkeit stimmen
werden. — Abg. Alkio (Agr.) erklärt, daß die Agrarier mehr denn je an
dem republ. Standpunkt festhielten. Sie seien darin durch den Sieg des
Parlamentarismus in Deutschland noch mehr bestärkt worden. Die neue
deutsche Regierung sei gegen Finnland nicht feindlich gestimmt und wünsche
nur, daß Finnland den gleichen Richtlinien folge wie Deutschland. — Abg.
Pevanlinna (Altfinn.) greift den von republ. Seite gemachten Vorschlag
einer Neuwahl des Landtags auf. In einem solchen Landtag, in dem Agrarier
und Sozialisten die Mehrheit hätten, würde die für eine republ. Verfassungs-
vorlage erforderliche 5/6-Mehrheit ebensowenig vorhanden sein wie im gegen-
wärtigen Landtag für die monarchische. Das Spiel würde sich also ins
unendliche wiederholen. Im übrigen werde eine aus Agrariern und Sozialisten
zusammengesetzte Regierung infolge des inneren Interessengegensatzes in
wenigen Wochen bankerott sein. Wenn die Republikaner behaupteten, die
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