410 Kußland. (Jan. 18.—19.)
Rotgardisten aufgelöst und der Zutritt zum Taurischen Palast gesperrt. Die
zurückgebliebenen Soz.-Rev. nehmen jedoch trotz der Drohungen der Matrosen
in aller Eile eine Entschließung an, die Rußland zu einer Demokratischen
Föderativen Republik erklärt, ferner ein Gesetz über Grund und Boden,
das in den Grundzügen den in der Erklärung des Hauptvollzugsausschusses
unter Art. 2 (s. S. 408) ausgesprochenen Grundsätzen entspricht, sowie eine
Entschließung über die Friedensfrage, die folgendermaßen lautet: „Im
Namen der Völker der russ. Republik und dem festen Willen des Volkes
zur unverzüglichen Beendigung des Krieges und zum Abschluß eines ge-
rechten allgemeinen Friedens Ausdruck verleihend, wendet sich die V. V.
an die mit Rußland verbündeten Mächte mit dem Antrag, zu einer ge-
meinsamen Erörterung der genauen Bedingungen des demokrat. Friedens
zu schreiten, die allen kämpfenden Völkern annehmbar wären, um diese
Bedingungen im Namen der gesamten Koalition den Staaten vorzuschlagen,
die mit der russ. Republik und ihren Verbündeten Krieg führen. Die V. V.
ist durchdrungen von der festen Ueberzeugung, daß das Streben der Völker
Rußlands nach einer Beendigung des verderbenbringenden Krieges einen
einmütigen Widerhall bei den Völkern und den Regierungen der verbündeten
Mächte finden wird, und daß mit gemeinsamen Kräften ein baldiger Frieden
erzielt wird, der das Wohl und die Errungenschaften aller kämpfenden
Völker sicherstellen wird. Die V. V. beschließt, aus ihrer Mitte eine De-
legation zu wählen mit allen Vollmachten zur Führung von Verhandlungen
mit den Vertretern der verbündeten Mächte über Bedingungen einer baldigen
Beendigung des Krieges, sowie auch zur Verwirklichung des Beschlusses der
V. V. über die Vornahme von Friedensverhandlungen mit den Mächten,
die gegen uns Krieg führen. Diese Delegation hat unter der Leitung der
V. V. unverzüglich mit der Erfüllung der ihr zugewiesenen Pflichten zu be-
ginnen. Im Namen der Völker Rußlands dem Bedauern Ausdruck gebend,
daß die ohne vorhergehende Vereinbarung mit den verbündeten Demokratien
begonnenen Verhandlungen mit Deutschland den Charakter der Verhand-
lungen über einen Separatfrieden gewannen, übernimmt die V. V., unter
Wahrung des eingetretenen Waffenstillstandes, im Namen der Völker der
russ. Demokratischen Förderativen Republik die weitere Leitung der Ver-
handlungen mit den gegen uns kriegführenden Mächten, um im Einklang
mit dem Volkswillen und zum Schutz der Interessen Rußlands den allgemeinen
demokratischen Frieden zu erlangen." ·
Am 20. beschließt der Hauptvollzugsausschuß der Sowjets formell die
Auflösung der Verfassunggebenden Versammmlung. Die „Peterb.
Tel.-Ag.“ veröffentlicht darüber folgenden amtlichen Erlaß: „Die russ. Re-
volution hat die A-, B.- und S.-Räte geschaffen als Organisation aller
ausgebeuteten arbeitenden Klassen, die allein imstande ist, den Klassen-
kampf für ihre volle politische und wirtschaftliche Befreiung zu führen. Im
Laufe des ersten Zeitabschnittes der Revolution vermehrten sich und erstarkten
die Sowjets, die das unfruchtbare Trugbild einer Verständigung mit dem
Bürgertum und die trügerischen parlamentarischen Formen des demokratischen
Bürgertums durchschauten und zu der Lösung kamen, die Befreiung der
unterdrückten Klassen sei unmöglich, ohne mit jeder Art von Kompromissen
zu brechen. So erhob sich die Oktoberrevolution, die die ganze Macht den
Sowjets gab. Die V. V., hervorgegangen aus auf Grund der alten Wahl-
listen vorgenommenen Wahlen, stellte sich als Ausdruck des alten Regimes
dar, in dem die Macht der Einigungspartei (Kadetten) gehört hatte. Hierbei
vermochte das Volk, indem es für die Sozialrevolutionäre stimmte, nicht
zu unterscheiden zwischen den Soz.-Rev. der Rechten, den Parteigängern
des Bürgertums, und den Soz.-Rev. der Linken, den Parteigängern des