Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

418 Rußland. (Febr. 18. 19.) 
den Beschluß der Donregierung, ihre Macht zugunsten der Sopjets nieder- 
zulegen. — Kaledin gehörte zu den gegen die Maximalisten operierenden 
Armeeführern (Alexejew, Kornilow, Denikin, Erdelli, Markow u. a.). 
Ueber den Verlauf des im Februar auf verschiedenen Schauplätzen 
wütenden Bürgerkrieges sind wir nur durch die auf ihre Stichhaltigkeit 
im einzelnen nicht nachprüfbaren Meldungen der „Petersb. Tel.-Ag.“ unter- 
richtet, die von siegreichen Offensiven der Sowjettruppen gegen das Don- 
gebiet, die Krim, die Ukraine und die polnischen Legionäre berichten. Unklar 
sind die Verhältnisse in Beßarabien. Der Oberbefehlshaber der gegen 
Rumänien aufgestellten Truppen der Sowjets richtet am 18. an die rum. 
Regierung ein auf 48 Stunden befristetes Ultimatum, worin die sofortige 
Zurückziehung der rum. Truppen hinter die rum. Grenze gefordert wird. Für 
den Fall einer Weigerung wird ein kräftiges militärisches Vorgehen in Aus- 
sicht gestellt. 
18. Febr. Wiederbeginn der Feindseligkeiten an der großruss. 
Front. (Näh. s. Kriegschronik; s. auch Tl. 1 S. 68.) 
18. Febr. Ernährungsfrage. 
Die „Petersb. Tel.-Ag.“ meldet: Der Rat der Volkskommissare ver- 
fügte die Einsetzung eines außerordentlichen Verpflegungsausschusses für die 
sofortige Kontrolle und Regelung der Ernährung unter Leitung Trotzkis. 
18. Febr. Abschaffung des Religionsunterrichtes. 
Die „Petersb. Tel.-Ag.“ meldet: Durch eine Verfügung des Volks- 
kommissars für Unterricht wurden die Stellen der Religionslehrer sämtlicher 
Konfessionen abgeschafft. 
19. Febr. Annahme der Friedensbedingungen. 
Der Rat der Volkskommissare richtet an die deutsche Regierung einen 
Funkspruch, worin er mitteilt, er sehe sich veranlaßt, in Anbetracht der 
geschaffenen Lage sein Einverständnis zu erklären, den Frieden unter den 
Bedingungen zu unterzeichnen, welche von den Delegationen des Vierbundes 
in Brest-Litowsk gestellt worden seien. Auf Verlangen der deutschen Regierung 
wird die Bereitwilligkeit zur Unterzeichnung des Friedensvertrages durch 
ein von Lenin und Trotzki unterfertigtes Schreiben (datiert v. 20. Febr. 
2 Uhr vorm.) schriftlich bestätigt. 
Ueber die vorausgegangenen Beratungen in Petersburg ver- 
öffentlicht der „Daily Telegraph“ folgenden Bericht: Der Rat der Volks- 
kommissare versammelte sich am 18. abends. Er beriet bis zum frühen 
Morgen. Die Berichte des Befehlshabers von Heer und Flotte über die 
Möglichkeit, dem Vormarsch der Deutschen mit Erfolg Widerstand zu leisten, 
lauteten sehr pessimistisch, wenn auch nicht hoffnungslos. Der Vorschlag, 
sich zu ergeben, veranlaßte eine lebhafte und leidenschaftliche Aussprache 
und wurde am Ende mit einer Stimme Mehrheit (angeblich Trotzki) an- 
genommen. Das Telegramm wurde aber nach Berlin abgeschickt, ohne die 
Zustimmung des Ausführenden Ausschusses der Sowjets. Am 19. abends 
ließ die Regierung, anstatt eine Vollversammlung abzuhalten, nur die Mit- 
glieder der eignen Parteien zusammenkommen und teilte ihnen den gefaßten 
Beschluß mit. Lenin setzte dabei auseinander, daß Rußland nicht imstande 
sei, dem deutschen Einfall Widerstand zu leisten, so daß ein Krieg die Zer- 
schmetterung Rußlands und die Vernichtung aller Ergebnisse der Revolution 
bedeuten würde. Nur durch einen Friedensschluß ließen sich diese Ergebnisse 
bewahren; er bilde auch die Voraussetzung für eine weitere Umbildung 
Rußlands in sozialistischem Sinne. Die russ. Truppen wären für den Kampf
	        
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