432 Rußland. (Mai 20.—23.)
Unterricht: Swjetosarow, Justiz: Sacharow, Wegebau: Ingenieur Kanelin,
Inneres: Janow, Landwirtschaft: Semenow.
Die Kiewer Zeitungen v. 25. veröffentlichen folgende Note der Don-
regierung an die ukrainische Regierung: Die Donregierung als
bedeutendster Bestandteil des neuen Bundesstaates des südöstlichen Bundes,
der die Don-, Kuban-, Terek. und Astrachan-Kosaken, die Bergvölker des
nördlichen Kaukasus und der Schwarzmeerküste und die freien Steppenvölker
des südöstlichen Rußlands umfaßt, dem sich ferner das Gouvernement Staw-
ropol, die Schwarzmeer-Gouvernements und Teile des Kreises Zarizin als
unlöslich wirtschaftlich mit dem Südostbund verbunden anschließen, hat die
Interessenvertretung des Bundes übernommen und ersucht bei den Friedens-
verhandlungen mit Großrußland folgendes zu beachten: Der Südostbund
ist kein Bestandteil der russ. Sowjetrepublik. Er befindet sich mit der nicht
anerkannten Regierung der russ. Sowjetrepublik im Kriegszustande. Die
Völker und die Regierung des Bundes werden die Unantastbarkeit des
Bundes mit allen Mitteln verteidigen. Die Donregierung hat in den soeben
verkündeten Staatsgrundgesetzen alle seit der Februar-Revolution 1917 er-
lassenen Gesetze der russ. Regierung wieder aufgehoben und hat das alte
Wappen und Siegel der Donischen Kosaken wieder eingeführt.
In einem Aufruf der neuen Regierung an die Kosaken werden diese
zu guten Beziehungen mit den deutschen Truppen aufgefordert. Sie sollen
diese wie eigene Truppenteile ansehen.
Die von der Donrepublik beanspruchten Grenzen stellen sich in scharfen
Widerspruch zu den Gebietsforderungen der neuen Republik Ciskaukasien
(s. S. 427 f.). Der Rat der Volkskommissare in Moskau erläßt zur Be-
kämpfung der gegenrevolutionären Bewegung im Kuban= und Dongebiet
am 30. einen Aufruf, worin er General Krasnow, seine Helfershelfer und
Verbündete für Feinde des Volkes erklärt und sie außerhalb des Gesetzes
stellt. (S. auch 16. Juli.)
72 Mai. Einsetzung eines Gerichtshofes über den ehem. Zaren.
Das als „Nasche Slowo“ wiedererscheinende „Rußkoje Slowo“ meldet
aus Moskau: Eine bolschewistische Kommission unter dem Vorsitz Krylenkos
ist als Gerichtshof über den früheren Zaren eingesetzt worden, gegen den
Anklage auf Verursachung eines Staatsstreichs zur Aenderung des Duma-
wahlgesetzes sowie auf ungesetzliche Verwendung öffentlicher Gelder und auf
andere Vergehen erhoben ist. Eine Eskorte lett. Schützen ist entsandt wor-
den, um den Exzaren nach Moskau zu bringen. (S. dazu 16. Juli.)
22. Mai. Ausschußverhandlungen mit Deutschland über den
Brest-Litowsker Friedensvertrag.
Das Volkskommissariat für Ausw. Angelegenheiten überreicht dem
deutschen Botschafter Grafen Mirbach eine Note, in welcher es als Sitz des
Sonderausschusses zur Regelung einiger sich aus dem Friedensvertrag
von Brest-Litowsk ergebenden Punkte Moskau vorschlägt und folgende Fragen
als Verhandlungsgegenstände vorschlägt: 1. die Lage im Kaukasus; 2. die
Lage in der Krim; 3. die im Artikel 3 des Friedensvertrags vorbehaltene
Grenzführung und die Fragen des zeitweiligen Besatzungsrechtes Deutsch-
lands; 4. die politische Lage Estlands und Livlands; 5. Kriegsgefangenen-
fragen; 6. Grundfragen der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland
und Raßland. — Die deutsche Regierung erklärt sich zur Beschickung einer
Konferenz in Berlin bereit. Am 8. Juni (s. Tl. 1 S. 191) trifft zum Zweck
von Verhandlungen eine Abordnung der russ. Sowjetregierung in Berlin ein.
23. Mai. Beginn der russ.-ukr. Verhandlungen in Kiew. (S. Ukr.)