Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

Kußland. (Juni 24.—29.) 437 
Regierung, da Ramischwili und Dschordania Parteigenossen sind. Ramisch- 
wili übernimmt das Ministerium des Innern. 
In dem unabhängigen Kaukasisch-Armenien (s. S. 431) hat C. R. 
Katschaznuni das Ministerpräsidium, Dr. A. Chatissian das Ausw. 
übernommen. 
24. Juni. Der Kommissar für bolschew. Preßangelegenheiten 
Wolodarski wird in Petersburg auf offener Straße erschossen. 
Nach einer Mitteilung des Volkskommissars Uritzki im Petersb. Sowijet 
wurde die Tat von den rechten Soz.-Rev. mit engl. Gelde ins Werk gesetzt. 
28. Juni. Verstaatlichung der Industrie. 
Der Rat der Volkskommissare erläßt ein sofort in Kraft tretendes 
Dekret, welches „zum Zwecke eines entschiedenen Kampfes gegen den Zerfall 
der Wirtschaft und der Ernährung und zur Befestigung der Diktatur der 
Arbeiterklasse und der ländlichen Armenbevölkerung" die besonders auf- 
geführten Gruppen von Unternehmungen „samt ihrem Kapital und Eigentum, 
welches es auch immer sei, als das Eigentum der Russ. Sowjetrepublik 
erklärt". Das Verzeichnis ist geordnet nach Industriezweigen. Im all- 
gemeinen werden alle größeren Unternehmungen enteignet. Das gesamte 
Personal einschließlich der Direktoren, Vorstandsmitglieder usw. werden als 
im Dienste der Sowjetrepublik stehend erklärt. Alle Vorstände der Unter- 
nehmungen werden verpflichtet, im „beschleunigten Verfahren die Bilanz 
der Unternehmungen auf den 1. Juli 1918 aufzustellen“. Unternehmungen, 
welche Konsum= und sonstigen kooperativen Genossenschaften und Verbindungen 
mit Genossenschaften angehören, gehen nicht in den Besitz der Republik über. 
Am 2. Juli wird ein Aufruf des Hauptvollzugsausschusses der Sowjets 
veröffentlicht, worin im Hinblick auf dieses Dekret jeder Streik fortan als 
Verrat an der Sache der Arbeiterrevolution erklärt wird. 
29. Juni. Protest gegen die engl. Landung im Murmangebiet. 
Die „Petersb. Tel.-Ag.“ veröffentlicht eine von Tschitscherin an den 
engl. Vertreter in Moskau, Lockhart, gerichtete Note, worin er gegen den 
Aufenthalt bewaffneter Streitkräfte Großbritanniens im Murmangebiet Protest 
einlegt und gleichzeitig die bestimmte Erwartung ausspricht, daß die groß- 
britannische Regierung ihre der internationalen Lage Rußlands wider- 
sprechende Maßnahme zurücknimmt, und daß das Arbeitsvolk Rußlands, das 
den heißen Wunsch hegt, in ungestörten, freundschaftlichen Beziehungen mit 
Großbritannien zu verbleiben, nicht gegen seinen Willen in eine Lage ge- 
drängt wird, die seinem alleraufrichtigsten Bestreben nicht entspricht. 
Am 3. Juli veröffentlicht die Moskauer Presse einen Befehl Trotzkis, 
der die Entsendung der nötigen Streitkräfte, um die Küste des Weißen 
Meeres vor der Besitzergreifung durch ausländische Imperialisten zu schützen, 
anordnet. 
Gleichzeitig erläßt der Rat der Volkskommissare eine Bekanntmachung, 
worin der Vorsitzende des Murmanschen Sowjets Jurjew, welcher zu den 
anglo-franz. Imperialisten übergegangen ist und an den feindlichen Hand- 
lungen gegen die Sowjetrepublik teilgenommen hat, als außerhalb des 
Gesetzes stehend erklärt wird. — Zwischen dem Murmansowjet und der 
Entente wird ein Vertrag zur Verteidigung des Murmangebietes gegen 
die Mittelmächte abgeschlossen. (Den Text s. in der „Voss. Ztg.“ 1918 Nr. 382.) 
Am 20. Juli erklärt der Murmansowjet die gesamte Murmanküste sowie die 
nördl. Strecke der Murmanbahn als im Kriegszustand mit der Moskauer 
Regierung befindlich. 
Vom Murmangebiet beginnt eine Offensive gegen die Sopjet- 
 
	        
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