Kußtand. (Juli 4.—10.) 439
Aufrufen der linken Sozialrevolutionäre die Herren Kerenski und Sawinkow
und die rechten Sozialrevolutionäre sagen. Sie klatschen den linken Sozial-
revolutionären Beifall und sie freuen sich, daß Rußland jetzt, wo das Mil-
jukow passen würde, in einen Krieg hineingetrieben werden soll. Wenn wir
aMuch noch lange Monate des Leidens durchmachen müßten. während deren
man uns noch größere Stücke aus unserem lebendigen Organismus heraus-
schneiden wird, wenn auch unser Volk noch Opfer bringen wird, wie es
sie schon gebracht hat, so werden doch unsere Feinde so schnell sich dem Ab-
grunde nähern, daß sie zugrunde gehen und nicht wir. Wenn wir noch
drei Monate, noch sechs Monate, noch einen Winter hindurch die Arbeit
leisten können, die nicht auf den Effekt, sondern auf die Erzielung wirk-
licher Früchte gerichtet ist, so werden wir vorwärts kommen. Das west-
europäicchhe, imperialistische Ungeheuer aber wird vom Kampfe ermattet eine
solche Erschöpfung nicht ertragen, weil in ihm selber Kräfte heranreifen, die
bisher an sich selber nicht glauben, die aber den Imperialismus ins Ver-
derben führen werden. (Einen ausführlichen Bericht s. in, der „Frankf. Ztg.“
v. 17. Juli 1918, 2. Morgenbl.)
Sodann nimmt der Kongreß folgende, von der kommunistischen Fraktion
beantragte Entschließung mit erdrückender Mehrheit an: Die fünfte Landes-
versammlung der Arbeiter und Soldaten billigt vollständig die innere und
äußere Politik des Rates der Volkskommissare und bekräftigt von neuem
den unerschütterlichen Willen der Arbeiter und Soldaten, das Land nicht
in einen neuen Krieg hineinziehen zu lassen. Das Rußland der Sowjcts
wird jedem Angriffsversuch gegen das russ. Gebiet von seiten jedweder
imperialistischen Regierung tatkräftig Widerstand leisten. Das Rußland der
Sowjets wird unerbittlich gegen die Feinde des Volkes verfahren, welche
das Vaterland zugunsten der Nationalisten der einen oder der anderen
Koalition verraten. Die Landesversammlung billigt in der gleichen Weise
die Ernährungspolitik und die Schaffung von Komitees armer Bauern,
welche nicht die Arbeit der anderen ausbeunten. Der Zeitraum, der sich bis
zur neuen Ernte erstreckt, ist der härteste für die Arbeitsbevölkerung der
Städte. Die kräftigsten Maßnahmen werden zur Bekämpfung der bürger-
lichen Gegenrevolutionäre und ihrer Agenten ergriffen, welche aus der
augenblicklichen Lage Nutzen zu ziehen versuchen. Die Landesversammlung
ruft alle Arbeiter und Bauern auf, einmütig für die Sowjets einzustehen.
Im Verlaufe des Kongresses gibt der Volkskommissar für Ausw. An-
gelegenheiten Tschitscherin ausführliche Erklärungen über die Be-
ziehungen der Sowietregierung zu den fremden Mächten ab, wobei
er ausführt: Unter den Ententeländern haben die Ver. Staaten von Nord-
amerika in ihrem Verhalten gegen das Sowjetrußland immer das größte
Wohlwollen bekundet. Für niemand ist es ein Geheimnis, daß während der
Zeit, als zahlreiche Stimmen zugunsten einer jap. Einmischung in Sibirien
ertönten, die ablehnende Stellungnahme der amerik. Regierung das Haupt-
hindernis für eine solche Einmischung darstellte. Ungeachtet der Stimmungs-
mache in einem Teil der jap. Presse zugunsten einer Einmischung hoffen
wir, auch mit Japan eine Regelung freundschaftlicher Beziehungen herbei-
führen zu können Auf die Forderung der russ. Regierung für die Zurück-
berufung des franz. Gesandten Noulens, der durch seine Auslassungen die
freundschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern geschädigt hat,
erfolgte keine Antwort von der franz. Regierung und gegenwärtig befindet
sich Herr Noulens noch immer in Wologda, obwohl die russ. Regierung ihn
als Privatperson ansieht. Andererseits hat die franz. Regierung den im be-
sonderen Auftrage der russ. Regierung reisenden Bürger Kamenew nicht
einmal auf das franz. Territorium zugelassen. Ungeachtet unserer wieder-