Rufland. (Juli 24.—28.) 455
Donezfrage. Das Dongebiet soll die Bergwerke mit Lebensmitteln und
Schmierölen, die Ukraine soll sie mit Holz, Metall und Sprengstoffen
versorgen.
24. Juli. Simbirsk wird von den Tschecho-Slowaken genommen.
Die „Prawda“ schreibt dazu: Der Aufstand breitet sich aus wie ein
Oelfleck auf dem Papier. Möge die Einnahme von Simbirsk Schlafende
wecken! Simbirsk war einer der Stützpunkte der Gewalt der Sowjets und
zugleich Getreidekammer. Die Gefahr wächst, sie ist nahe. Der Feind ist
zahlreich und gut organisiert. Wenn der Fall von Samara die Arbeiter
nicht aufgerüttelt hat, so muß es der Fall von Simb'rsk tun. — Am 25.
wird Jekaterinburg von den Weißen Truppen besetzt.
25. Juli. (Wologda.) Abreise der Ententegesandten nach
Archangelsk.
Das „WTB." meldet aus Moskau: Die Ententegesandten sind aus
Wologda nach Archangelsk abgereist. Der Kommissar für Ausw. Angelegen-
heiten, Tschitscherin, erklärt hierzu in den „Iswestija“: Auf die Politik
der russ. Republik wird diese Tatsache keinerlei Einfluß haben. Die Räte-
regierung bedauert tief die Abreise der Ententediplomaten aus Wologda.
Der Uebersiedlung der Ententediplomaten von Wologda nach Moskau, wie
die Räteregierung vorschlug, hätten keine Hindernisse im Wege gestanden.
Die Wologdadiplomaten zogen es jedoch vor, nach Archangelsk zu reisen, wo
ihr Verbleiben infolge der Kriegslage eine offenbare Unmöglichkeit ist.
Archangelsk kann nur als eine Etappe zur Abreise aus Rußland angesehen
werden. Die Räteregierung protestiert energisch gegen die Verletzung der
russ. Neutralität durch Ententetruppen und gegen politische Unterstützung
des tschecho-slowak. Aufstandes, doch wünscht sie auch unter diesen Umständen
nicht den Abbruch der diplom. Beziehungen mit den Ententemächten und
hofft, daß die Abreise aus Wologda nicht in diesem Sinne ausgelegt wird.
Mit den Völkern beider kriegführenden Lager sucht sie ökonomische Abkommen
zum Austausche erzeugter Werte und zur gegenseitigen Unterstützung des
produktiven Lebens der Völker. Sie wird sich nicht der Herausforderung
zu Kriegsoperationen hingeben, welche ihre freundschaftlichen Beziehungen
zu allen Völkern verletzen würden. Die Räteregierung sieht keinerlei Gründe,
welche selbst nach der Abreise der Diplomaten aus Wologda der Unter-
haltung von diplom. Beziehungen mit den Ententemächten durch in Moskau
befindliche Vertreter hinderlich sein könnten.
W. Juli. Schutzmaßnahmen für die Wolgadeutschen.
Das „WB.“ meldet aus Moskau: Laut Verfügung des Rates der Volks-
kommissare ist von nun an jede Art Kontributionen, Konfiskationen und Requi-
sitionen von Getreide unter den deutschen Wolgakolonisten nur mit dem Ein-
vernehmen des Kommissariats für deutsche Angelegenheiten in Saratow zulässig.
Vom Standpunkt allgemeiner staatlicher Interessen können eigenmächtige Hand-
lungen der örtlichen Räte gegenüber den deutschen Kolonisten zu sehr trau-
rigen Folgen führen. Daher wird zum Kampf mit Großbauern und Gegen-
revolutionären in deutschen Kolonien das Rätekommissariat für Angelegenheiten.
der deutschen Wolgakolonisten berufen, an dessen Spitze die erprobten
Kommunistengenossen Petin und Reuter stehen.
Diese Verfügung bedeutet einen letzten nachträglichen Erfolg des er-
mordeten Grafen Mirbach, der in den letzten Tagen des Juni der Sowjet-
regierung eine Note überreichte, in der die traurigen Mißstände in den
Wolgakolonien aufgezählt und Abhilfe gefordert wurde.