Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

Kufland. (Aug. 5.—10.) 459 
ab und übergibt den Schutz der amerik. Interessen dem schwed. General- 
konsul, da er überzeugt ist, daß die Zusicherungen der Sowjetregierung 
wertlos sind. 
5. Aug. (Moskau.) Dr. Helfferich (s. S. 456) reist nach Berlin ab. 
Er ist zur mündlichen Berichterstattung über die Lage in Rußland 
nach Berlin gerufen worden. (S. auch 10. Aug.) 
7. Aug. (Dongebiet.) Vertrag mit der Ukraine. 
Zwischen Vertretern der Regierung der Ukraine und des Dongebiets 
wird ein Vertrag vereinbart, wonach Rostow und Taganrog mit Landkreis 
dem Dongebiet zufallen. 
7. Aug. Beginn der Gegenoffensive der Sowjettruppen. 
Die „Petersb. Tel.-Ag.“ meldet: Die Kräfte der Weißen Gardisten, 
Tschecho-Slowaken und Kosaken auf der Mittelwolgafront beziffern sich auf 
80000 Mann. Die Zusammenziehung der Sowjietarmeen ist beendet, sie 
erreichen die Zahl von 150000 Mann. Der begonnene Angriff entwickelt 
sich erfolgreich. Die Sowjettruppen zogen bereits unter Kämpfen in die 
Vorstadt von Simbirsk ein. In Moskau trafen Vertreter der Sowjets aus 
Ostsibirien ein und erklärten, daß die Tschecho-Slowaken nur bis zum Baikal 
gekommen seien. Weiter östlich vom Baikal sei ganz Sibirien in den Händen 
der Sowjetregierung. Ueber den Städten und Dörfern Ostsibiriens wehe 
nach wie vor die rote Flagge der sozialistischen Republik. Ostsibirien sei 
keineswegs der Sammelpunkt der engl.-franz. Truppen, denn weder solche, 
noch amerik. oder jap. Abteilungen befänden sich dort. 
Im Laufe der nächsten Wochen sind die Sowiettruppen an verschie- 
denen Punkten erfolgreich. Am 20. meldet die „Petersb. Tel.-Ag.“ eine 
schwere Niederlage der Ententetruppen in der Richtung auf Onega (s. S. 457); 
am 24, die Einnahme von Nikolajewsk (südl. Samara), und am 28. die 
Einnahme von Jekaterinodar (Hauptstadt des Kubangebietes), das jedoch 
wieder aufgegeben werden muß. 
10. Aug. Verlegung der deutschen Gesandtschaft von Moskau 
nach Pskow. 
Das „WB." teilt amtlich mit: Staatsminister Helfferich hatte der 
Regierung der „Sowjietrepublik“ mitgeteilt, daß die Entwicklung der Ver- 
hältnisse in Moskau und besonders die parteioffizielle Proklamation der 
Sozialrevolutionäre über die Anwendung des Terrors als Kampfmittel die 
persönliche Sicherheit der Mitglieder der Gesandtschaft außerordentlich ge- 
fährdet erscheinen ließe. Um etwaigen Zwischenfällen vorzubeugen, die unter 
diesen Umständen beim besten Willen fast unvermeidlich erschienen, und die 
geeignet sein würden, die Beziehungen zwischen dem Deutschen Reiche und 
der „Sowjetrepublik“ ernsthaft zu gefährden, habe er die einstweilige Ueber- 
siedlung der Gesandtschaft zusammen mit den Mitgliedern der Gesandtschaft 
an einen weniger gefährdeten Ort angeordnet. Legationsrat Dr. Riezler ist 
seither mit den Mitgliedern der Gesandtschaft und einem Teil der in Moskau 
weilenden Kommission zunächst nach Petersburg abgereist. Mit Rücksicht auf 
die Lage in Petersburg, welche derjenigen in Moskau ähnelt, ist die Kaiserliche 
Gesandtschaft sodann angewiesen worden, zunächst Pskow als Aufenthaltsort 
u wählen. Die Reise dorthin wird infolge der Störung der direkten Verbin- 
ung zwischen Pskow und Petersburg über Helsingfors und Reval stattfinden. 
Ueber die Umstände, die zur Verlegung der deutschen Gesandtschaft 
von Moskau nach Pskow geführt haben, meldet der „Berliner Lokal- 
anzeiger“: Es ist zunächst anzuerkennen, daß die Sowjetregierung das
	        
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