462 Rußland. (Aug. 30.)
Waffe in der Hand ohne Erlaubnisschein ergriffen wird, wird sofort erschossen.
Wer gegen die Rätegewalt agitiert, wird verhaftet und in ein Konzentrations-
lager gebracht. Alle Vertreter des räuberischen Kapitals und alle Spekulanten
werden zu öffentlichen Zwangsarbeiten herangezogen, ihr Eigentum wird kon-
fisziert werden.
Nach der „Prawda“ bildet der Anschlag auf Lenin den Hauptprogrammpunkt
einer großen, über ganz Rußland ausgebreiteten gegenrevolutionären.
Verschwörung, die von den in Rußland weilenden Ententevertretern an-
gezettelt wurde.
Ueber die Aufdeckung der Ententeverschwörung in Moskau
richtet der Volkskommissar für Ausw. Tschitscherin am 2. Sept. an den
russ. Vertreter in Berlin Joffe folgende Zirkulardepesche: Heute ist eine Ver-
schwörung entdeckt worden, welche von engl.-franz. Diplomaten geleitet wurde
und an deren Spitze sich der Leiter der engl. Mission Lockhart, der franz.
Generalkonsul Granard, General Lavergne u. a. befanden. Diese wollten sich
durch Organisierung bestochener Abteilungen der Sowjettruppen die Gewalt
des Rates der Volkskommissare aneignen und in Moskau die Militärdiktatur
ausrufen. Die Organisation war nach dem genauen Muster einer Verschwörung
aufgebaut und arbeitete mit falschen Dokumenten und Bestechungen. Es wurde
u. a. ein Befehl zum Vorschein gebracht, daß im Falle des Gelingens des
Aufstandes eine gefälschte geheime Korrespondenz veröffentlicht werden soll,
die angeblich zwischen der russ. und der deutschen Regierung geführt wurde, sowie
nachgemachte gefälschte Verträge, wodurch die entsprechende Stimmung für
den Beginn eines neuen Krieges mit Deutschland hervorgerufen werden sollte.
Die Verschwörer arbeiteten unter dem Schutze der diplomatischen Immunität
und auf Grund von Zeugnissen mit der persönlichen Unterschrift des Leiters
der engl. Mission in Moskau Lockhart. Zahlreiche Exemplare sind bereits
in den Händen der Untersuchungskommission. Es wurde festgestellt, daß durch
die Hände des engl. Leutnants Reilly, eines der Agenten Lockbarts, allein
in den letzten 11 Wochen 12000000 Rubel für Bestechungen gingen. Ein
Engländer wurde in der geheimen Wohnung der Verschwörer verhaftet, der,
zur Außerordentlichen Untersuchungskommission gebracht, sich als der engl.
diplomatische Vertreter Lockhart zu erkennen gab; nach der Feststellung der
Persönlichkeit des Verhafteten Lockhart wurde er freigelassen. Die Verschwörung
wurde durch die Unbestechlichkeit der Abteilungsbefehlshaber entdeckt. Die
Untersuchung wird energisch fortgesetzt. Kreml, am 2. Sept. Tschitscherin.
Gegen die Proklamierung des roten Terrors erhebt das diplom. Korps
in Petersburg am 5. Sept. einen nachdrücklichen Protest. (Auch der deutsche
Generalkonsul schließt sich diesem Protest an.) Tschitscherin antwortet
am 12. mit einer sehr scharfen Antwortnote, welche mit folgenden Worten
schließt: Wir lehnen auf das energischeste jede Einmischung neutraler kapitali-
stischer Mächte zugunsten der russ. Bourgeoisie ab und erklären, daß wir
jeden Versuch der Vertreter dieser Mächte, die Grenzen des gesetzmäßigen
Schutzes der Interessen ihrer Landsleute zu überschreiten, als einen Versuch
zur Unterstützung der russ. Gegenrevolution betrachten werden.
Ein Agitationsherd gegen die Sowjetregierung ist auch die engl. Bot-
schaft in Petersburg. Am 31. Aug. findet dort eine Hausdurchsuchung
durch russ. Untersuchungsbeamte statt, wobei etwa 40 Personen verhaftet und
wichtiges Material entdeckt wird. Die engl. (und franz.) Regierung erhebt
gegen dieses Vorgehen wie gegen die Verhaftung der Ententevertreter scharfen
Protest (s. S. 215). Tschitscherin erwidert darauf, wie die „Iswestija"
am 7. Sept. mitteilen, mit einer Erklärung, in der dargelegt wird, daß die
diplom. und militär. Vertreter Englands und Frankreichs ihr Amt zur
Organisierung von Verschwörungen auf dem Territorium der Räterepublik