Die äkerreicis-ungarische Msnarchie und die Machfolzestasten. (Juli 17. 22.) 45
ihren Erklärungen geneigt, Vorschläge zu prüfen, aber keiner will sie machen.
Aus diesem Dilemma wäre doch ein Answeg zu finden, wenn jede der
beiden Mächtegruppen ihre Friedensvorschläge schriftlich einer neutralen
Macht übermitteln würde, die sich durch Vergleich der beiderseitigen Fried ns-
vorschläge ein Bild machen könnte, ob eine Einigung möglich sei oder nicht.
Wenn nur die geringste Aussicht auf eine Verständigung vorhanden ist,
sollte der Versuch unternommen werden. Ob der Moment jetzt dafür ge-
kommen ist oder nicht, kann man wohl nur an kompententer Stelle be-
urteilen. Redner kommt dann auf die austro-poln. Lösung zu sprechen, die
nur in Uebereinstimmung mit Berlin möglich sei, nachdem ein Kondo-
minium in Polen bestehe. Er sei in letzter Zeit sehr skeptisch geworden,
was die austro-poln. Lösung anbelange. Gegenüber der Beschwerde des
Sprechers des Polenklubs, daß die poln. Regierung nicht nach Brest-Litowsk
eingeladen war, weist Redner darauf hin, daß sowohl die Deutschen als
auch er den Versuch unternommen haben, die poln. Regierung zu den Ver-
handlungen hinzuzuziehen und die russ. Regierung sich kategorisch geweigert
habe, sie zuzulassen. Redner stehe noch immer auf dem Standpunkt, daß
die austro-poln. Lösung die beste für Oesterreich sei und daß ein Polen
zustande komme, welches lebensfähig sei. Die Interpretation aber, daß
ein Polen, welches nicht den ganzen Cholmer Kreis, sondern nur einen
Teil desselben besitze, nicht lebensfähig sei, sei rein willkürlich. In Be-
sprechung des Brester Friedens weist Redner den Vorwurf zurück, daß er
durch Abschluß des Friedens sich in Widerspruch gesetzt hätte mit dem, was
er in der Theorie verkündet habe. Der Anschluß der westlichen russ. Pro-
vinzen an Deutschland geschah auf den direkten Wunsch und auf das direkte
Verlangen von Kurland und Litauen und nicht gegen ihren Willen. Die
russ. Anarchie hat die Randprovinzen in die Arme Deutschlands getrieben
und niemand anders. Gegenüber dem Vorwurf, daß der ukrainische Friede
hinsichtlich der Zufuhr an Nahrungsmitteln enttäuscht habe, erklärt Redner,
daß die Million Meterzentner aus der Ukraine für Oesterreich-Ungarn und
Deutschland eingebrachter Lebensmittel es möglich gemacht habe, bis knapp
vor der neuen Ernte durchzuhalten und den schreckensvollen Zustand, der
eingetreten sei, auf wenige Wochen zu beschränken. Die großen deutschen
Siege, die märchenhaften Erfolge der deutschen Armee wären nicht ein-
getreten, wenn der Brest-Litowsker Friede es nicht ermöglicht hätte, die
Truppen an die Westfront hinzuziehen. Wenn die Herren, die den Friedens-
schluß in Brest-Litowsk tadeln, wüßten, welche Anstrengungen die Entente
gemacht hat, ihn zu verhindern, dann würden sie vielleicht milder über ihn.
denken. Eine unmittelbare Folge des Brester Friedens war der rumenische
Frieden. Auch der rumän. Frieden war ein Verständigungsfrieden, und
der beste Beweis dafür ist, daß Rumänien am lautesten dagegen protestieren
würde, wenn dieser Frieden annulliert werden sollte und es Bessarabien
wieder herausgeben müßte. — Vor der Debatte über die Regierungserklärung
nimmt das Haus den Gesetzentwurf betr. Errichtung eines Ministeriums
für Volksgesundheit (s. S. 21) an.
17. Juli. (Ung. Abg.-Haus.) Frauenwahlrecht. .
Bei der Spezialdebatte der Wahlreformvorlage (s. S. 39) wird
der Regierungsantrag über die Einführung des Stimmrechts für
Frauen, die höhere Schulbildung genossen haben oder auf Grund selb-
ständigen Erwerbs 100 Kr. Steuer zahlen, mit 161 gegen 96 Stimmen
-aabgelehnt. — Am 19. wird die Wahlreformvorlage auch in den Details erledigt.
22. Juli. Rücktritt des Kabinetts Seidler.
Kaiser Karl genehmigt das Rücktrittsgesuch des Gesamtkabinetts durch