Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

492 Uraine. (Juni 13.—Juli 25.) 
Botschafter eine Note über die Notwendigkeit einer Angliederung 
der Krim an die Ukraine. 
13. Juni. (Kiew.) Unterzeichnung des rufs.-ukr. Waffenstill- 
standsvertrages. 
Sein wesentlicher Inhalt ist: Einstellung der Feindseligkeiten (die Fest- 
setzung der Demarkationslinie wird den einzelnen Truppenkommandanten 
überlassen), Erleichterung der gegenseitigen Rückwanderung, Kriegsgefangenen- 
austausch, Vorbereitung des Austausches des Eisenbahnmaterials, Anbahnung 
von Handelsbeziehungen und die Bereitwilligkeit, bald in endgültige Friedens- 
verhandlungen einzutreten. (Näheres s. in der „Nordd. Allg. Ztg.“ 1918 
Nr. 306.) Die Friedensverhandlungen werden sofort aufgenommen. 
20. Juni. (Kiew.) Eröffnung eines allukr. Kirchenkonzils. 
Der Antrag auf Lostrennung der ukr. von der russ. Kirche wird mit 
ungeheurer Mehrheit abgelehnt und die Unterwerfung des Kiewer unter das 
Moskauer Patriarchat beschlossen. Die ukr. orthodoxe Staatskirche soll also 
nicht autonom, sondern nur autokephal werden. 
15. Juli. Beginn eines Eisenbahnerstreiks. 
Ohne vorherige Ankündigung beginnt auf einigen Stationen der Süd- 
westbahn ein Streik, der sich rasch nach einem anscheinend wohlüberlegten 
Plan über die ganze Ukraine ausbreitet, ohne sich jedoch zu einem all- 
gemeinen Streik zu erweitern. Durch die Heranziehung von deutschem 
Betriebspersonal gelingt es, den notbedücstigen Betrieb aufrechtzuerhalten, 
insbesondere die militdkrisch erforderlichen Züge zu fahren. Anfang Aug. 
wird der Dienst wieder allgemein ausgenommen, ohne daß die Streikenden 
die gewünschte Aufbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage durchsetzen konnten. 
Nach den gemachten Feststellungen unterliegt es keinem Zweifel, daß der 
Streik aus politischen Gründen von außen her in die Ukraine hereingetragen 
und unmittelbar gegen die ukr. Regierung und die Mittelmächte gerichtet 
war. Einige aus Großrußland gekommene Agitatoren wurden verhaftet. 
Die großen Summen, die für diesen Streik aufgewendet wurden, lassen ver- 
muten, daß Geldgeber aus der Entente dahinter standen. (Näh. s. in der 
„Nordd. Allg. Ztg.“ 1918 Nr. 378 und 398.) 
15. Juli. Austausch der Ratifikationsurkunden des Brester 
Friedensvertrages zwischen Bulgarien und der Ukraine in Wien. 
16. Juli. Anerkennung der Donrepublik. (S. S. 454 f.) 
Vertrag mit der Donrepublik s. ebend. 
22.—25. Juli. (Kiew.) Prozeß Dobryj. 
Vor dem deutschen Feldgericht in Kiew beginnt die Verhandlung 
wegen widerrechtlicher Verhaftung und Entführung des Bankiers Dobryj 
(s. S. 488 f.) Angeklagt sind Mitglieder der früheren ukr. Regierung und 
ihre Helfer. Die Verhandlung beleuchtet den sittlichen Tiefstand von Regierung 
und Verwaltung kurz vor dem Sturz der Rada und zeigt die immer stärker 
werdende Tendenz der damaligen Regierungspolitik, eingegangene Verpflich- 
tungen nicht einzuhalten und sich der deutschen Helfer zu entledigen. Nach- 
dem alle Angeklagten jede Schuld abzuleugnen oder abzuwälzen versucht 
haben, bringt; der 24. wichtige Geständnisse des Angeklagten Gajewski. 
Holubowitsch gibt daraufhin zu, daß im Kabinett eine deutschfeindliche Partei 
vorhanden gewesen sei, er habe ihr aber nicht angehört. Der Ankläger dehnt in- 
folge dieses Geständnisses die Anklage auf Mitwisserschaft auf Holubowitsch aus.
	        
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