helen. (Juli 31. —Okt. 2.) 507
31. Juli. (Staatsrat.) Schluß der ersten Session.
Es fanden 13 Plenarsitzungen, außerdem zahlreiche Ausschußsitzungen
statt. Endgültig erledigt wurden eine Reihe kleinerer Vorlagen. Die Ge-
setzentwürfe von größerer Bedeutung (Landtagswahlgesetz, Heeresgesetz) be-
finden sich noch im Stadium der Ausschußberatung. Fragen der äußeren
Politik wurden in den Staatsratsberatungen nur selten berührt.
13. Aug. Der Direktor des Staatsdepartements Prinz Janusz
Radziwill und Graf Adam Ronikier (Vertreter der poln. Regierung
in Berlin) werden von Kaiser Wilhelm im Gr. Hauptquartier in
Spa in Audienz empfangen. (S. dazu Tl. 1 S. 251 f.)
Amtlich wird bekanntgegeben, daß die Reise des Direktors des Staats-
departements, was die politischen Fragen betrifft, lediglich informativen
Charakter hatte. Daneben habe Prinz Radziwill die Gelegenheit wahr-
genommen, eine Reihe nationaler Postulate betr. den weiteren Ausbau der
Landesadministration im Königreiche Polen vorzubringen.
Aus Warschau wird über Krakau gemeldet, daß Prinz Janusz Radzi-
will im deutschen Hauptquartier folgende „Mindestforderungen“ auf-
gestellt habe: Sicherung und Erhaltung der jetzigen Westgrenze Polens; An-
erkennung der Buglinie als Grenze im Osten; Zuteilung gewisser litauischen
Gebiete an Polen für die etwa geplante Angliederung von drei Bezirken
im Gouvernement Suwalki an Litauen; Zutritt zur Ostsee durch Neutrali-
sierung des Unterlaufs der Weichsel und der längs dieses Unterlaufs
führenden Eisenbahnlinie, sowie die Anerkennung Danzigs als Freihafen;
Abschaffung der Grenze zwischen den beiden Okkupationsgebieten in Polen;
Uebergabe der Zivilverwaltung und des Finanzwesens an poln. Behörden;
sofortige Erhöhung der poln. Wehrmacht zur Stärke von 20000 Mann und nach
ihrer Umbildung in Kaders sofortige Einberufung eines vollen Jahrganges.
5. Sept. Kabinett krise.
Der Regentschaftsrat genehmigt das mit Gesundheitsrücksichten
begründete Rücktrittsgesuch des Ministerpräsidenten und Finanzministers
Steczkowski (s. S. 502 f.) und gewährt den übrigen Ministern die erbetene
Enthebung vom Amte. Gleichzeitig wird der Staatsrat auf unbestimmte
Zeit vertagt. — Den eigentlichen Streitpunkt, der zum Rücktritt des Mini-
steriums St. geführt hat, bildeten die Note der poln. Regierung an die
Zentralmächte v. 29. April (s. S. 503 f.) und die an sie anknüpfenden August-
verhandlungen der Zentralmächte mit Polen, deren ergebnisloser Verlauf
von den Passivisten, die überhaupt keine Verhandlungen mit den Mittel-
mächten wünschen, zu scharfen Angriffen auf das Kabinett benützt wurde.
2. Okt. Kucharzewski wieder Ministerpräsident.
Die Lösung der Kabinettsfrage begegnet infolge der intransigenten
Haltung der passivistischen Parteien großes Schwierigkeiten. Nach langen
Verhandlungen einigt man sich auf die Person des früheren Minister-
präsidenten v. Kucharzewski (s. S. 500), der am 2. Okt., nachdem die
Okkupationsmächte ihre Zustimmung gegeben haben, vom Regentschaftsrate
zum Ministerpräsidenten ernannt wird. Die übrigen Minister führen ihre
Funktionen zunächst provisorisch weiter. Am 9. wird jedoch gemeldet, daß
Kucharzewski ein Schreiben an den Regentschaftsrat gerichtet hat, in dem
er um sofortige Enthebung von der Stellung des Ministerpräsidenten und
um gleichzeitige Entbindung von dem Auftrage, ein neues Kabinett zu
bilden, bittet. K. erklärt sein Ersuchen damit, daß er nicht wolle, daß seinet-