Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

48 Hie ssterreichisch-ungarische Monarchie und die Nachfslzesasten. (Juli 26., 
des Kirchenrechts an der Univ. Wien, 1911—17 österr. Unterrichtsminister, 
politisch den Christl.-soz. nahestehend) wird zum Ministerpräsidenten ernannt. 
Die übrigen Minister des Kabinetts Seidler bleiben im Amt, mit Ausnahme 
der beiden poln. Minister v. Twardowski und Cwiklinski, die nach Wunsch 
des Polenklubs ausscheiden. An Sielle des Unterrichtsministers Cwiklinski 
tritt der Sektionschef Dr. v. Poray-Madeyski und an Stelle des poln. 
Landsmannministers v. Twardowski der Sektionschef im Finanzmini- 
sterium Dr. v. Galecki. 
Der Ernennung gehen Verhandlungen v. Hussareks mit den Partei- 
vertretern vorher. Darnach ergibt sich folgendes Programm für das neue 
Kabinett: Unbedingtes Festhalten am Parlament, das gegenwärtige Kabinett 
soll beibehalten und im Herbst von einem Kabinett mit starkem parlamen- 
tarischen Einschlag abgelöst werden, sechsmonatiges Budgetprovisorium, 
später Verwaltungs= und Finanzreform sowie Verfassungsreform für Böhmen 
und Galizien und im Süden des Reiches. Von den Parteien kündigen nur 
die Ukrainer dem Kabinett unbedingte Gegnerschaft an im Hinblick auf die 
angebliche polenfreundliche Haltung der Regierung in der galiz. Frage. 
Gleichzeitig mit der unter huldvoller Anerkennung seiner Verdienste 
erfolgenden Genehmigung seines Rücktrittgesuches wird v. Seidler an 
Stelle des Grafen v. Polzer-Hoditz, der in den zeitlichen Ruhestand 
versetzt wird, zum k. Kabinettsdirektor ernannt. Die Beurlaubung des Grafen 
v. Polzer-Hoditz ist bereits am 22. Nov. 1917 (s. GeschKal. 1917 Tl. 2 S. 206) 
erfolgt. Durch k. Handschreiben v. 12. Aug. wird der interim. Leiter der 
Kabinettskanzlei v. Haverda seiner Funktion enthoben. 
26. Juli. Legationsrat Otto Frhr. v. Franz wird mit der 
Leitung der diplom. Vertretung der Monarchie bei der russ. födera- 
tiven Sowjetrepublik betraut. 
26. Juli. (Osterr. Abg.-Haus.) Hussareks Programmrede, 
Budgetprovisorium, Kriegskredit, Vertagung. 
Ministerpräsident Dr. Frhr. v. Hussarek entwickelt zu Beginn der 
Sitzung sein Programm ,an dessen Spitze er das Bündnis mit Deutschland 
und die Erreichung eines ehrenvollen Friedens sowie die Versöhnung der 
Völker stellt. Sodann fährt er fort: Um die innere Stärke und Geschlossen- 
heit zu erzielen, ist ein stetiges verfassungsmäßiges Zusammenwirken mit 
den ersten gesetzlichen berufenen Vertretungskörpern unbedingte Voraus- 
setzung, an der die Regierung unverbrüchlich festhalten wird. Die nächste 
und unmittelbare Aufgabe ist die Votierung des Budgetprovisoriums. Dar- 
über hinaus wird es sich für die nächste Zukunft darum handeln, Vor- 
bereitungen für die Klärung und Ordnung jener großen Fragen zu treffen, 
welche sich der ruhigen und wohlgeregelten Kontinuität unseres Verfassungs- 
lebens schon seit langem entgegenstellen, während des Krieges aber die Un- 
aufschiebbarkeit ihrer Lösung schärfstens dargetan haben. Ich meine die 
großen Gestaltungsprobleme nationalen Lebens im Staate, die nur inner- 
halb der Monarchie und durch ihre berufenen Gewalten zur Entscheidung 
Lgebracht werden können. Die Regierung erachtet es zunächst für ihre Pflicht, 
unablässig an der Erweckung einer Atmosphäre des Vertrauens zu wirken. 
in welcher dann unter ihrer Führung an die schrittweise Bewältigung der 
zahlreichen komplizierten einschlägigen Aufgaben mit Bürgschaft für ihre 
Dauer herangetreten werden kann. In inniger Wechselwirkung mit diesen 
steht das Problem der zeitgemäßen Verwaltungsreform, welche wir uns 
im Wege einer ausgedehnteren Heranziehung der Interessenten zu den Auf- 
LHaben der Verwaltung denken. Nicht minder muß eine ständige Mitwirkung
	        
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