Polen. (Dez. 27.) Türkei. (Jan. 20. Febr. 5.) 519
land unter fremdem Druck vollzogen haben. Der unmittelbare Druck wurde
durch die poln. Nationaldemokraten und durch das Nationalkomitee in Paris
ausgeübt, die die Träger der großpoln. Idee sind. Pilsudski hatte anscheinend
gar nicht die Macht, sich dem Bruch entgegenzusetzen. Graf K. hält Pilsudski
für einen Gegner der extremen deutschfeindlichen Politik und glaubt nicht,
daß der Abbruch der Beziehungen zum Kriegszustand führen werde, solange
Pilsudski am Ruder ist. Graf K. sagt darüber: Der Vertreter des Mini-
steriums des Auswärtigen erklärte mir bei Ueberreichung der Note ausdrücklich,
daß einen Kriegszustand zwischen Polen und Deutschland herbeizuführen, wie
die Nationaldemokraten es fordern, nicht in der Absicht der Regierung läge;
im Gegenteil, er betonte, daß die Beziehungen nicht eigentlich abgebrochen,
sondern bloß „unterbrochen“ seien, bis normale Verhältnisse eingetreten,
insbesondere Verbandsgesandtschaften in Warschau erschienen seien.
Die Vertretung der deutschen Interessen in Polen übernimmt vorläufig
der schweiz. Gesandte in Warschau, die der poln. in Deutschland der dän.
Geschäftsträger in Berlin.
Am 20. Dez. teilt die „Gazeta Poranna“ mit, das poln. National-
komitee in Paris habe die Versicherung erhalten, daß die Vertreter Polens
an der Friedenskonferenz der Entente teilnehmen werden.
27. Dez. Posen in poln. Hand. (Näh. s. Tl. 1 S.599 f.)
XX.
Türkei.
(Aegypten s. unter Afrika.)
20. Jan. Durch Ministerratsbeschluß wird der Belagerungs-
zustand im Reiche mit Ausnahme der Kriegszonen aufgehoben.
5. Febr. (Kammer.) Regierungserklärung über außenpol. Fragen.
Der stellvertretende Minister des Aeußern Halil Bei gibt vor dem
Kammerausschuß für ausw. Angelegenheiten Erklärungen ab, in denen
er zunächst über die Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk Bericht erstattet
und die Hoffnung ausspricht, daß trotz der schwierigen und absonderlichen
Verhältnisse ein greifbarer Erfolg sich werde erzielen lassen. H. setzt sodann
den Standpunkt der osman. Regierung hinsichtlich der auf die Türkei be-
züglichen Stellen der Reden Wilsons (s. Ver. St., 8. Jan.) und Lloyd Georges
(s. S. 142 ff. auseinander. Nachdem er die Abänderung der Kriegsziele Englands
mit Bezug auf die Türkei hervorgehoben hat, weist er darauf hin, daß Lloyd
George letzthin erklärt habe, kein Stückchen türk. Bodens erobern zu wollen,
und nur die Ansicht ausgesprochen habe, daß die anderen Nationalitäten
ein Recht auf ein Sonderdasein hätten. Die Regierung bestehe auf ihrem
Standpunkt, daß das Los der nationalen Gruppen, die vor dem Kriege
nicht unabhängig waren, nicht anders geregelt werden könne als durch
Einrichtungen, die entsprechend der Verfassung jedes einzelnen Landes
geschaffen werden. Was die Neutralität der Meerengen unter der Garantie
der Mächte betreffe, so erklärt H., daß die Meerengen dem internationalen
Handel und den Handelsschiffen stets offen standen, den Fall ihrer Schließung
ausgenommen, wenn die Sicherheit von Konstantinopel gefährdet war. Unter
diesen Bedingungen würden die Meerengen auch in Zukunft geöffnet bleiben.
Zu Wilsons Erklärungen in bezug auf die Türkei übergehend, spricht sich