Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

542 Rumãnien. (Juni 17. 27.) 
17. Juni. (Jassy.) Eröffnung des Parlaments. 
Die von König Ferdinand verlesene Thronrede lautet: M. H. Sena- 
toren, M. H. Abg.! Ich empfinde wie immer lebhafte Befriedigung darüber, 
mich in der Mitte der Vertreter der Nationen zu befinden. Vor kurzem 
aus allgemeinen Wahlen hervorgegangen, bringen Sie mir die wirklichen 
Empfindungen des Landes über die schweren Entschlüsse, die unserer sorg- 
fältigen Prüfung unterliegen, mit. Auf seine eigenen Mittel angewiesen, 
hat das Land voll Edelmut und hohem Patriotismus die Blüte seiner 
tapferen Söhne geopfert. Aber eine Verlängerung des bewaffneten Wider- 
standes hätte seine Kräfte bis zur Vernichtung erschöpft, und Rumänien 
hat den Frieden geschlossen, der sich ihm wie eine Lebensbedingung auf- 
drängte. Der Friedensvertrag wird unverzüglich gemäß den Bestimmungen 
der Verfassung der gesetzgebenden Körperschaft zur Billigung unterbreitet 
werden. Er legt offenbar schmerzliche Opfer auf, aber das rumän. Volk 
wird sie mit jener Mannhaftigkeit prüfen, die eine genaue Erfassung des 
Staatsinteresses angesichts der wirklichen Lage verleiht. Danken wir indessen 
dem Himmel, wenn gerade in der Stunde dieser Prüfungen das Gefühl 
der Rassengemeinschaft das schöne moldavische Land, das dem Boden der 
Väter entrissen worden war, zum Mutterlande zurückgeführt und das beß- 
arabische Volk in seine Arme geworfen hat, um seine Arbeitskraft und 
seinen Glauben an die Zukunft zu erhöhen. Die gute Aufnahme, die dieses 
große Ereignis bei den Mächten, mit denen wir über den Frieden ver- 
handeln, gefunden, hat den Weg geöffnet für die Wiederherstellung unserer 
Freundschaft, wie sie in der Vergangenheit bestand. Indem wir gute Be- 
ziehungen mit den anderen Ländern aufrechterhalten, werden wir versuchen, 
mit den neuen in Bildung begriffenen Staaten normale nachbarliche Be- 
ziehungen wieder aufzunehmen. M. H. Abg.! Der Finanzminister kann 
Ihnen noch kein normales Budget vorlegen, für das das Land sicherlich die 
erforderlichen Opfer bewilligen wird. Er wird Ihnen eine Reihe von Maß- 
regeln vorlegen, die bestimmt sind, dem Staatsschatze die Abbürdung der 
Lasten und die Befriedigung der außerordentlichen Erfordernisse, denen wir 
gegenüberstehen, zu erleichtern. Tiefgreifende Verbesserungen mehr mora- 
lischer als administrativer Natur erfordern eine Umänderung unserer 
Verwaltung. Ich habe volles Vertrauen darin, daß das Parlament die 
Uebergangsmaßregeln, so radikal sie auch sein mögen, zur Erleichterung ihrer 
Vorbereitung und ihrer schnellen Verwirklichung bewilligen wird. Aber die 
Krönung Ihres Werkes wird die Festsetzung der Punkte unserer Verfassung sein, 
die wir abändern müssen, damit wir in kürzester Frist und vor jeder anderen. 
Verfassungsänderung die Agrarreform durchführen und die unteren Schichten 
der Nation zu wirklichem politischen Leben erwecken können. M. H. Senatoren! 
M. H. Abg.! Mit Dank gegen unsere Armce, die ohne Unterlaß ihre Pflicht voll 
erfüllt hat und indem wir unsere Gedanken erheben, um unseren Staat wieder 
aufzubauen und ihn zu neuer Blüte zu führen durch Arbeit, Sparsamkeit und 
Opfermut, bitte ich den Allmächtigen, Ihre Arbeiten zu segnen. 
27. Juni. Amnestieerlaß für Deutsche. 
Das „Rumän. Amtsblatt“ veröffentlicht einen vom König Ferdinand 
unterzeichneten Amnestieerlaß. Es werden alle deutschen Staatsangehörigen, 
die wegen Vergehens zugunsten ihres Vaterlandes oder wegen Verstoßes 
gegen die Ausnahmegesetze für feindliche Staatsangehörige gerichtlich ver- 
folgt werden, begnadigt. Allen deutschen Staatsangehörigen, die wegen 
der obigen Vergehen bereits verurteilt sind, wird die Strafe erlassen, ebenso 
allen denjenigen Deutschen, die sich während ihrer Internierung eine Ver- 
urteilung zugezogen haben.
	        
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