Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

614 Auhaus zu den Pereinigten Staates. (Okt. 23.) 
Ihrer Note v. 23. d. M. zu bestätigen, mit der Sie eine Mitteilung der 
deutschen Regierung v. 20. d. M. übermittelten. Der Präsident hat mich mit 
der folgenden Antwort beauftragt: 
Nachdem der Präsident der Ver. St. die feierliche und ausdrückliche 
Versicherung der deutschen Regierung erhalten hat, daß sie die Friedens- 
bedingungen in seiner Ansprache an den Kongreß der Ver. St. v. 8. Jan. 1918 
und die Grundlagen der Friedensordnung in seinen späteren Ansprachen, 
insbesondere der v. 27. Sept., rückhaltlos annimmt, und daß sie in Er- 
örterungen über die Einzelheiten ihrer Anwendung einzutreten wünscht, 
ferner daß dieser Wunsch und Zweck nicht von denen ausgehen, die bisher 
die deutsche Politik diktiert und den gegenwärtigen Krieg für Deutschland 
geführt haben, sondern von Ministern, die für die Reichstagsmehrheit und 
die überwältigende Mehrheit des deutschen Volkes sprechen; und nachdem 
er ebenfalls das ausdrückliche Versprechen der gegenwärtigen deutschen Re- 
gierung erhalten hat, daß die deutschen Land= und Seestreitkräfte die Gesetze 
der Menschlichkeit und einer zivilisierten Kriegführung beobachten werden, 
glaubt der Präsident es nicht ablehnen zu können, mit den Regierungen, 
mit denen die Regierung der Ver. St. verbündet ist, die Frage eines 
Waffenstillstandes aufzunehmen. 
Er hält es aber für seine Pflicht, zu wiederholen, daß der einzige 
Waffenstillstand, den er sich berechtigt fühlen würde, der Erwägung zu unter- 
breiten, nur ein solcher sein könnte, der die Ver. St. und die mit ihnen 
verbundenen Mächte in der Lage beließe, jede zu treffende Vereinbarung 
zu erzwingen und eine Erneuerung der Feindseligkeiten durch Deutschland 
unmöglich zu machen. Der Präsident hat deshalb seinen Notenwechsel mit 
den gegenwärtigen deutschen leitenden Stellen den Regierungen, mit denen 
die Regierung der Ver. St. als kriegführende Macht verbunden ist, über- 
übermittelt mit dem Anheimstellen, falls diese Regierungen geneigt sind, 
den Frieden zu den angegebenen Bedingungen und Grundsätzen herbei- 
zuführen, ihre militärischen Ratgeber und die der Ver. St. zu ersuchen, den 
gegen Deutschland verbundenen Regierungen die nötigen Bedingungen eines 
Waffenstillstandes zu unterbreiten, der die Interessen der beteiligten Völker 
in vollem Maße wahrt und den verbundenen Regierungen die unbeschränkte 
Macht sichert, die Einzelheiten des von der deutschen Regierung angenommenen 
Friedens zu gewährleisten und zu erzwingen, wofern sie einen solchen Waffen- 
stillstand vom militärischen Standpunkt für möglich halten. Sollten solche 
Waffenstillstandsverhandlungen vorgeschlagen werden, so wird ihre Annahme 
durch Deutschland den besten und bündigsten Beweis dafür liefern, daß es die 
Grundbedingungen und Grundsätze der ganzen Friedensaktion unzweideutig 
annimmt. 
Der Präsident würde der Aufrichtigkeit nicht zu genügen glauben, wenn 
er nicht so freimütig wie möglich den Grund dafür angäbe, daß außer- 
ordentliche Sicherheiten verlangt werden müssen. So bedeutungsvoll und 
wichlig auch die Verfassungsänderungen zu sein scheinen, von denen der 
deutsche Staatssekretär des Ausw. Amts in seiner Note v. 20. Okt. spricht, 
so geht daraus doch nicht hervor, daß der Grundsatz einer dem deutschen 
Volke verantwortlichen Regierung bereits völlig durchgeführt (worked out.) 
ist oder daß irgendwelche Bürgschaften dafür vorhanden sind oder erwogen. 
werden, daß die jetzt teilweise vereinbarte grundsätzliche und praktische Reform 
von Dauer sein wird. 
Auch hat es nicht den Anschein, als ob der Kernpunkt der gegen- 
wärtigen Schwierigkeit erreicht ist. Künftige Kriege sind jetzt vielleicht der 
Entscheidung des deutschen Volkes unterworfen, aber der gegenwärtige ist 
es nicht gewesen, und mit dem gegenwärtigen haben wir es gerade zu tun.
	        
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