Die österreithisth·nngarische Monarthie und die Racfolgestaateu. (Okt. 5. 10.) 65
Vorschlag wurde abgelehnt, von Wilson jedoch nicht mit der Absicht der
Abschneidung von Friedenserörterungen, da er ja in seiner Rede v. 27. Sept.
neuerlich darauf zurückkam und in objektiver Weise die Notwendigkeit eines
gerechten Friedens betonte, der nicht einseitig wäre, sondern beiden Seiten
gerecht werden soll, somit das Prinzip hoher Gerechtigkeit nach allen Seiten
aufstellte. In diesem Moment der Proklamierung dieses Grundsatzes einer
gleichmäßigen Gerechtigkeit für alle Teile wurde es klar, daß eine An-
knüpfung, zum Frieden zu gelangen, auf diese Weise möglich wurde, da
der Grundsatz der Ausschaltung einseitiger Bevorzugung die Lösung einer
Gruppe von schwierigen Fragen gestattet. Der Schritt ist somit nicht aus
momentanen Ereignissen geboren, sondern hat sich im Laufe einer natür-
lichen Entwicklung stetig durchgerungen. Unter diesen Umständen erwarten
wir, daß unser Schritt zur Annäherung und zur Aussprache führen wird.
Wenn wir diese Hoffnung ausdrücken, wissen wir gleichwohl nicht, wie
die Entente und Wilson diesen Schritt auffassen werden. Politisch gerecht-
fertigt ist der Schritt schon aus dem Grunde, weil Wilson die einzige
Macht repräsentiert, die an die Entente politisch nicht gebunden ist. In
formeller Beziehung wird festgestellt, daß unser Schritt nicht als ein Ver-
mittlungsansuchen aufzufassen ist. Dies ist ausgeschlossen, da nur Neutrale
Vermittler sein können. Wir treten an Wilson heran, weil die von ihm
formulierten Punkte eine Grundlage darstellen, auf der wir verhandeln
können. Unser Schritt wird wohl allgemein als große historische Tat ge-
wertet werden. In voller Klarheit kommt darin zum Ausdruck, daß die
vielverlästerten Mittelmächte keine imperialistische Politik verfolgen, sondern
daß vielmehr ihre Bedingungen mit ihrem Programm der Verteidigung
in vollem Einklang stehen. Würde unserm Vorschlage nicht stattgegeben
werden, dann würden unsere Gegner die volle Verantwortung vor der
Weltgeschichte hierfür zu übernehmen haben. Die Ueberreichung der Note
erfolgte gesondert, weil die Verbündeten durch verschiedene Schutzstaaten in
Amerika vertreten sind. Wir durch Schweden, Deutschland durch die Schweiz.
5. Okt. (Agram.) Bildung des „Nationalrats der Slowenen,
Kroaten und Serben.“
Er besteht aus 93 Mitgliedern und umfaßt Vertreter aller nationalen
Parteien in Slowenien, Kroatien, Dalmatien, Istrien, Bosnien, Herzego-
wina, Krain, Kärnten und Steiermark. Vorsitzender ist der Reichsratsabg.
Dr. Korosec.
10. Okt. Zusammenschluß der deutsch-österr. Parteien.
Zwischen den deutschen Gruppen des österr. Abg.-Hauses
(Deutsch--nat. Verband, Christl.-soz., Soz., Deutschfreisinn., Alldeutsche) kommt
auf Grund einer von den Soz. vorgeschlagenen Plattform eine Einigung
zustande hinsichtlich der Stellung, die von den Deutschen Oesterreichs be-
züglich des Selbstbestimmungsrechtes eingenommen werden soll. In der
Entschließung der Soz. heißt es: Die Vertreter der deutschen Arbeiter-
schaft in Oesterreich erkennen das Selbstbestimmungsrecht der flaw. und
roman. Nationen an und nehmen dasselbe Recht auch für das. deutsche
Volk in Anspruch. Wir erkennen das Recht der slaw. Nationen an, ihre
eigenen nationalen Staaten zu bilden. Wir lehnen aber unbedingt und
für immer Unterwerfung deutschen Gebiets unter diese Staaten ab. Wir
verlangen, daß alle deutschen Gebiete in Oesterreich zu einem deutschen
Staate vereinigt werden, der seine Beziehungen zu anderen Nationen und.
zum Deutschen Reich nach seinen eigenen Bedürfnissen regeln soll. Wir
sind bereit, mit den Vertretern des tschech. und südslaw. Volkes auf dieser
Europäischer Geschichtskalender. LIXe. 5