Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

1. Bie Friedeusverhanblungen mit Großrußland und der Akraine. März 3.) 687 
Feindseligkeiten auf wirtschaftlichem oder finanziellem Gebiet abzielen, und 
innerhalb ihres Staatsgebietes solche Maßnahmen mit allen ihnen zu 
Gebot stehenden Mitteln zu verhindern. In der Uebergangszeit, die zur 
Ueberwindung der Kriegsfolgen und Neuordnung der Verhältnisse erforder- 
lich ist, verpflichten sich die vertragschließenden Parteien, möglichst keine 
Schwierigkeiten in der Beschaffung der notwendigen Güter durch Einführung 
hoher Eingangszölle zu bereiten, und sprechen die Bereitwilligkeit aus, 
alsbald in Verhandlungen einzutreten, um, soweit als tunlich, die während 
des Krieges festgesetzten Zollbefreiungen vorübergehend noch länger aufrecht 
zu erhalten und weiter auszudehnen. 
Nähere Bestimmungen über diese Vereinbarung werden in der Unter- 
anlage 1 zu Anlage 2 gegeben. (Den vollständigen Wortlaut der Verein- 
barung nebst dem russ. Text s. im Reichs-Gesetzbl. 1918 Nr. 77.) 
Gleichzeitig wird ein rechtspolitischer deutscheruss. Zusatzvertrag 
zu dem Friedensvertrag abgeschlossen. Dieser zerfällt in folgende Kapitel: 
Wiederaufnahme der diplomatischen und konsularischen Beziehungen, Wieder- 
herstellung der Staatsverträge, Wiederherstellung der Privatrechte, Ersatz. 
für Zivilschäden, Austausch der Kriegsgefangenen und Zivilinternierten, 
Fürsorge für Rückwanderer, Amnestie, Behandlung der in die Gewalt des 
Gegners geratenen Kauffahrteischiffe und Schiffsladungen, Organisation des 
Spitzbergen-Archipels, Schlußbestimmungen. 
Der Zusatzvertrag verpflichtet die vertragschließenden Teile, zunächst 
die Schäden zu ersetzen, die während des Krieges den diplomatischen und 
konsularischen Vertretern des andern Teiles und den Dienstgebäuden zu- 
gefügt worden sind. Sodann werden alle bisherigen Staatsverträge zwischen 
Deutschland und Rußland mit Ausnahme politischer Kollektivverträge, an 
denen andere kriegführende Staaten beteiligt sind, grundsätzlich wieder- 
hergestellt. Auch alle deutschen Privatrechte in Rußland, die durch Kriegs- 
gesetze oder durch Gewaltakte verletzt sind, werden hergestellt oder in Geld 
ersetzt. Der russ. Schuldendienst gegenüber den deutschen Gläubigern ist 
alsbald nach der Ratifikation des Vertrages wieder aufzunehmen und die 
bereits fällig gewordenen Verbindlichkeiten sind in kurzer Frist zu bezahlen. 
Ueber den Ersatz der deutschen Vermögenswerte, die nicht durch Kriegs- 
gesetze, sondern durch revolutionäre Enteignungsgesetze geschädigt worden 
sind, ist unter grundsätzlicher Anerkennung der Entschädigungspflicht eine 
weitere Vereinbarung vorbehalten. Besondere Bestimmungen sind über die 
Abwickelung der auf beiden Seiten eingerichteten Sequestrationen, Liqui- 
dationen und Treuhänderschaften getroffen worden; hier werden wohl- 
erworbene Rechte Dritter gewahrt. Der Austausch der Kriegsgefangenen 
wird im Anschluß an das Petersburger Abkommen (s. S. 416) geregelt. 
Art und Zeit der Rücksendung bleibt einer gemischten Kommission überlassen, 
während rein deutsche Kommissionen auf russ. Gebiet sofort den Schutz 
deutscher Gefangener, Zivilinternierter und Rückwanderer übernehmen. 
Aufwendungen für Kriegsgefangene werden ersetzt. Die Unterhaltung der 
Grabstätten gefallener Krieger und gestorbener Gefangener wird gewähr- 
leistet. Ein besonderes Kapitel ist dem Schutz der deutschen Kolonisten 
gewidmet, denen Rußland die Entlassung aus dem Staatsverband, Rück- 
wanderung in die alte Heimat, Schutz des Eigentums und Ersatz für 
erlittene Unbill zusichert. Ein weiteres Kapitel regelt die Amnestiefrage; 
jeder Teil gewährt Straffreiheit den Kriegsgefangenen, Zivilinternierten 
und Verschickten des anderen Teiles sowie den feindlichen Staatsangehörigen, 
die seine Kriegsgesetze übertreten haben. Eigenen Staatsangehörigen wird 
Straffreiheit zugesagt, soweit sie unter feindlichem Zwang heimische 
Gesetze übertreten haben. Endlich erlangen Straffreiheit die Angehörigen
	        
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