Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

768 Anhaug I. Biplomatische Enthüllungen. 
Text, so wie ihn die „Bayer. Staatsztg.“ veröffentlicht hat, eine der offen- 
kundigsten und ruchlosesten Fälschungen der Geschichte ist.“ Für den zweiten 
Teil der ersten Frage waren besonders die Aeußerungen des ehemaligen 
Vorsitzenden der deutschen Friedensdelegation in Versailles und Paris 
Frhrn. v. Lersner entscheidend, der erklärte, wenn nicht durch das deutsche 
Schuldbekenntnis bei den Alliierten die Ueberzeugung von der deutschen 
Alleinschuld bestanden hätte, wäre unbedingt die Stellung Deutschlands er- 
heblich besser gewesen und es habe namentlich z. B. auf Wilson einen ganz 
erheblichen Eindruck gemacht, daß von deutscher Seite bereits vor den 
Friedensverhandlungen ein solches Schuldbekenntnis vorlag. 
Das Urteil lautete für Prof. Cossmann auf Freisprechung von der 
Anklage eines Vergehens der üblen Nachrede; außerdem wurde dem Privat- 
kläger Fechenbach die Tragung der Kosten des Verfahrens und der Aus- 
lagen des Beklagten auferlegt. 
In der Begründung des Urteils heißt es bezüglich der Eisner- 
schen Veröffentlichung u. a.: Die Veröffentlichung Eisners ist keine wort- 
getreue Wiedergabe der Berichte und Fernsprechmeldungen (was im ein- 
zelnen nachgewiesen wird). Die Art, wie Eisner die Berichte und die 
Fernsprechmeldungen veröffentlicht hat, ist nach all dem eine unrichtige 
Wiedergabe, die den Sinn des Inhaltes der Urkunden entstellt, ihn sogar 
teilweise in sein Gegenteil verkehrt. Eisner hat, als er die Mitteilung dem 
Privatkläger diktierte, eine mit dem vollen Namen des Geschäftsträgers 
v. Schoen gezeichnete Abschrift des Berichtes v. 18. Juli 1914 in Händen 
gehabt. Die Möglichkeit, daß er im Eifer die Unterschrift nicht beachtet 
hat, daß er deshalb den Bericht für einen Bericht des Grafen Lerchenfeld 
hielt, kann nicht vollständig ausgeschaltet werden. Die übrige irreführende 
Art der Wiedergabe der Berichte und Fernsprechmeldungen hat Eisner be- 
wußt und absichtlich gewählt. Nach der Behauptung des Privatklägers war 
Eisner, als er die Veröffentlichung vornahm, der Meinung, Deutschland 
trage die Alleinschuld am Kriege. Eisner war auf Grund eigener Er- 
wägungen, die durch Einflüsterungen anderer, insbesonders des durch ein 
Telegramm v. 17. Nov. 1918 (s. o.) zu einem vollen und offenen Bekenntnis 
der Schuld der deutschen Regierung ratenden George D. Herron bestärkt 
wurden, der Auffassung, ein Schuldbekenntnis bringe Deutschland einen 
besseren Frieden. Er wollte deshalb mit seiner Veröffentlichung ein Schuld- 
bekenntnis abgeben. Er faßte demgemäß die Veröffentlichung in einer Art 
ab, daß sie ein Schuldbekenntnis werde, obwohl die Berichte und die Fern- 
sprechmeldungen ein Schuldbekenntnis nicht waren. Er änderte damit Ur- 
kunden, die das, was er wollte, nicht bewiesen, in der Veröffentlichung in 
einer Weise um, daß sie das, was er wollte, mehr oder weniger zu be- 
weisen geeignet wurden. Auch wenn er das, was er beweisen wollte, für 
wahr hielt, durfte Eisner doch nicht in dieser Art verfahren. Eisner hat 
mit der Veröffentlichung nebenher noch den weiteren Zweck verfolgt, die 
Revolution zu sichern. Der von ihm zum Gesandten in Berlin ernannte 
Privatgelehrte Dr. Muckle vertrat in einem an Eisner gerichteten Brief v. 
19. Nov. 1918 die auch von Maximilian Harden geteilte Meinung: Es 
müsse, um die versinkende Flamme des revolutionären Geistes zu beleben, 
u. a. die sofortige Veröffentlichung der Geheimakten verlangt werden. Eisner 
bekannte in der Sitzung des Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrates v. 
28. Nov. 1918: Ich kam nach Berlin als Vertreter Bayerns und sah da 
zu meiner großen Ueberraschung, daß in Berlin die Kontrerevolution nicht 
droht, sondern daß sie ruhig regiert. Die Kontrerevolution regiert in Berlin 
ganz gemütlich, als ob gar nichts geschehen wäre. Als ich das sah, da 
holte ich aus meiner Aktenmappe jenes Schriftstück, durch das nun der
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.