Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

770 Anhaug I. Diplematisqe Enthũllungen. 
gelegte Abschrift eines Privatberichtes des Grafen Lerchenfeld an den Grafen 
Hertling v. 9. Dez. 1914, durch den der Nachweis für eine doppelte Buch- 
führung geliefert werden sollte, hat diesen Nachweis nicht erbracht; durch 
die beeidigte Aussage des Zeugen Grafen Lerchenfeld und durch den In- 
halt des von ihm bekanntgegebenen Antwortbriefes des Grafen Hertling 
an ihn v. 11. Dez. 1914 ist dargetan: Von einem Ansinnen, Graf Hertling 
solle Unwahrheiten bekanntgeben, kann nicht die Rede sein; Graf Hertling 
ist nur ersucht worden, wenn er irrtümlich eine tatsächliche Unrichtigkeit 
dem französischen Geschäftsträger Allize gegenüber gesagt haben sollte, dies 
zur Steuer der Wahrheit öffentlich zu berichtigen. Die Wirkung der Ver- 
öffentlichung war bei den Gegnern Deutschlands nicht die, die Eisner er- 
wartete. Sie war die, die die Reichsleitung und das Ausw. Amt in ihren 
Kundgebungen v. 25., 26. und 28. Nov. 1918 erörterten. Sie war die, die 
jeder mit nur etwas Wirklichkeitssinn ausgestattete Mensch voraussehen 
konnte. Unsere Gegner haben sich mit Freuden der Veröffentlichung be- 
mächtigt, nicht um einen Frieden der Völkerversöhnung zu schließen, son- 
dern um dem in dem eingangs erwähnten Artikel 231 des Friedensvertrages 
aufgestellten, von Deutschland nicht aus Ueberzeugung, sondern nur unter 
dem Drucke der damals verzweifelten Lage anerkannten Spruch, Deutsch- 
land sei Urheber des Weltkrieges, durch ein deutsches Zeugnis mitzustützen, 
einen Spruch, der die Deutschland auferlegten unerträglichen Lasten recht- 
fertigen soll. Dem Vorsitzenden der deutschen Friedensdelegation, Kurt 
Freiherrn v. Lersner, tönte nach seiner beeidigten Zeugenaussage, wenn er 
sich mit den Gegnern über die Schuldfrage unterhielt und dabei die Frage 
verneinte, der Name „Eisner"“ entgegen. In dem Berichte der Kommission 
der Gegner für die Feststellung der Verantwortlichkeit der Urheber des 
Krieges und die aufzuerlegenden Strafen v. 29. März 1919 an die Kon- 
ferenz der Friedenspräliminarien ist die Veröffentlichung Eisners zum Be- 
weise von Deutschlands Schuld mehrfach erwähnt, dazu teilweise noch mit 
weiteren Entstellungen. (Deutsches Weißbuch über die Verantwortlichkeit 
der Urheber des Krieges, Berlin 1919, S. 31 ff.) Die deutsche Viererkom- 
mission konnte in ihren Bemerkungen v. 27. Mai 1919 zum Bericht der 
Kommission der alliierten und assoziierten Regierungen über die Verant- 
wortlichkeiten der Urheber des Krieges (Deutsches Weißbuch, S. 56 ff.) die 
Veröffentlichung Eisners nicht als Fälschung entlarven, weil ihr der volle 
Wortlaut der Berichte und Fernsprechmeldungen damals nicht bekannt war. 
Die Mantelnote des Ultimatums v. 16. Juni 1919, in dem die Gegner die 
unbedingte Annahme des Friedensdiktates von Deutschland forderten, und 
das Ultimatum selbst enthalten eine ausführliche Schuldanklage. Sie be- 
ruhen auf dem Bericht der Kommission der Gegner v. 29. März 1919 und 
dadurch mittelbar mit auf der Veröffentlichung Eisners. Die Fälschung 
ist eines der Hindernisse im Kampfe gegen die Behauptung der Alleinschuld 
Deutschlands im Weltkriege, einer Behauptung, die sich nach den eigent- 
lichen Aussagen der mit dem wirklichen Sachverhalt besonders vertrauten 
Sachverständigen, nach dem Inhalt der Bücher, die Deutschen Dokumente 
zum Kriegsausbruch und die Bayerischen Dokumente zum Kriegsausbruch 
und zum Versailler Schuldspruch, nicht rechtfertigen läßt, einer Behaup- 
tung, die, wenn auch die Gegner gleich Rußland einmal ihre Archive öffnen, 
wohl zweifelsfrei entkräftet werden wird, einer Behauptung, die auch der 
Privatkläger nicht aufrecht erhält. Die an die Veröffentlichung geknüpfte 
Hoffnung Eisners, der nach der beeidigten Aussage des Zeugen Grafen 
Soden am 24. Nov. 1918 im Gebäude der bayerischen Gesandtschaft in 
Berlin die Meinung vertrat, Clemenceau, Lloyd George und Wilson seien 
die größten Idealisten, hat sich nicht erfüllt. (Ein eingehender Bericht über 
 
	        
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